Sanfter Mond über Usambara
stammt das Rezept von dem Medizinmann eines Eingeborenenstammes drüben im Kongo. «
» Und es wirkt? «
» Bis jetzt schon. «
George hustete, dann schaute er zum Himmel auf, der sich mit dunklen Regenwolken bezog. Ein leichter Wind trug den Duft der Kaffeeblüten heran, auch die Akazien, Tamarinden und andere Pflanzen standen in Blüte, es war die Zeit der Fruchtbarkeit und des üppigen Wachstums.
» Weshalb sollte er keine Kapelle bauen? «
Charlotte sah vorsichtig zu Jeremy hinüber, doch der war ganz mit der steinernen Termitenröhre beschäftigt und konnte ihr Gespräch auf keinen Fall mit anhören.
» Weil er ein haltloser Schwätzer ist, George. Außerdem trinkt er. «
» Das muss nicht viel heißen, Charlotte. Hier in Afrika geraten viele Leute an den Alkohol– nicht jeder ist deshalb ein notorischer Säufer. «
Sie zuckte mit den Schultern und meinte, es sei ihm zu wünschen. Er habe sich tatsächlich sehr verändert, seit er auf der Plantage lebe, und– soweit ihr bekannt– keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt, was nicht unbedingt viel heißen musste.
» Aber er hat einen guten Kern « , seufzte sie. » Ich wünschte wirklich, er würde sich fangen. Er scheint sich sehr für die Plantagenwirtschaft zu interessieren und ist mir eine große Stütze. Wenn ich allerdings einen Verwalter einstelle, wird die Sache schwierig werden. «
George nickte. Auch ihm war klar, dass Jeremy Brooks sich keinem Verwalter unterordnen würde. Der junge Herumtreiber würde sich vermutlich schleunigst aus dem Staub machen.
» Wie alt mag er sein? «
» Vielleicht dreißig? « , schätzte Charlotte.
» Ja, das könnte hinkommen. Verdammt jung, nicht wahr? «
Er hob den Kopf und bedachte sie mit einem vielsagenden Lächeln. Charlotte errötete. Wie kam sie nur auf den albernen Gedanken, George könnte eifersüchtig auf einen Kindskopf wie Jeremy sein?
» Ich glaube, ich reite besser zurück und lege mich noch ein wenig aufs Ohr « , sagte George jetzt und rettete sie damit aus ihrer Verlegenheit.
Langsam stand er von seinem harten Sitz auf, bestieg jedoch sein Pferd mit gewohnter Leichtigkeit, und als Charlotte ihm umständlich den Rückweg erklären wollte, lachte er sie aus.
» Ich bin ein alter Wald- und Wiesenläufer, mein Liebling. Ich reite immer der Nase nach und finde stets mein Ziel. «
Sie sah ihm nach, als er den Fahrweg zurückritt, den Hut in die Stirn gedrückt. Die weite Jacke flatterte um seine Schultern. Nach einer Weile wirkten Pferd und Reiter klein und zerbrechlich vor dem Hintergrund des dunklen Waldrandes, und als sich seine Gestalt hinter einem Hügel verlor, verspürte sie den unsinnigen Impuls, ihm nachzureiten. Was war nur los mit ihr?
» He, Lady! Gähnende Leere in allen Gängen und Löchern! Was sagen Sie jetzt? «
» Großartig! « , rief sie und wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel.
Bei ihrer Rückkehr stellte sie fest, dass George keineswegs schlief. Er saß mit Elisabeth und Klara unten im Wohnraum, Klara war wie üblich mit einer Näharbeit beschäftigt, während Elisabeth sich mit lateinischen Vokabeln herumplagte.
» George hat gesagt, das muss ich können, wenn ich Ärztin werden will, Mama! «
Charlotte hatte keine Zeit, sich weiter damit zu befassen, draußen hatten sich die Arbeiter versammelt, die zu ihren Aufgaben eingeteilt und mit Geräten versorgt werden mussten. Aber sie ärgerte sich darüber, dass George ihr die Entscheidung über Elisabeths Zukunft praktisch schon abgenommen hatte. Wieso redete er dem Kind ein, es müsse Ärztin werden, und brachte ihm schon die lateinische Sprache bei? Welche Chance blieb ihr jetzt überhaupt noch, Nein zu sagen?
George schien ihre Gedanken erraten zu haben. Während sie mit Jeremys Unterstützung ihre Anweisungen erteilte, sah sie ihren Mann zu dem Unterstand aus Stroh hinübergehen, wo Peter Siegel die schwarzen Kinder unterrichtete. George, der so oft gesagt hatte, es mache keinen Sinn, den Eingeborenen lesen und schreiben beizubringen, setzte sich zu den Kindern auf den Boden und malte ihnen auf der Schiefertafel Buchstaben vor.
Auch am Nachmittag, als sie mit Jeremy noch eine kurze Runde zu den Kaffeepflanzungen drehte und wegen eines Platzregens eilig zurückkehrte, schlief George nicht. Sie fand ihn am Tisch sitzend, über seine Manuskripte gebeugt, einen Stapel Zeitschriften neben sich. Die Hand, die den Stift führte, zitterte ein wenig.
» Du hast immer noch Fieber, George « ,
Weitere Kostenlose Bücher