Sanfter Mond über Usambara
murmelte sie und legte die Arme um seine Schultern. » Sagtest du nicht, du hättest etwas eingenommen? «
Sein Rücken und seine Schultern fühlten sich schmal an, doch das war nie anders gewesen. George war zäh und verfügte trotz seines hageren Körpers über ungemein viel Kraft und Ausdauer.
» Das vergeht, Frau Krankenschwester « , erwiderte er unbeschwert und fasste ihre Hände. » Heute Abend werde ich den jungen Mann mal über seine Kapelle ausquetschen. Ich bin doch sehr gespannt, wie er sich das Ganze vorstellt, dein Tausendsassa! «
Später begriff sie, weshalb ihr diese Abende so unwirklich erschienen waren, denn eigentlich verliefen sie heiter, manchmal auch in ungehemmter Fröhlichkeit. Es waren vor allem die drei Männer, George, Peter und Jeremy, die das Wort führten, sich in Diskussionen über Gott und die Welt verstrickten und kaum ein Ende finden konnten. Auch Charlotte mischte sich gern ein, manchmal ganz spontan, oft aber auch, um Peter und Jeremy ein wenig vor Georges gut gezielten Provokationen zu schützen.
» Manchmal glaube ich, dass der liebe George über das Ziel hinausschießt « , flüsterte Klara Charlotte zu. » Er hat ein großes Talent, andere in die Irre zu führen, findest du nicht, Lotte? «
Charlotte musste ihr recht geben. Das Spiel, das George so gern mit seinen Gesprächspartnern spielte, stand auf der Kippe und diente nicht länger dazu, den Weg für neue Denkweisen freizumachen, sondern war zu einer Art Kampfsport geworden. Seltsamerweise gingen Peter und Jeremy bereitwillig auf Georges Herausforderungen ein, ließen sich vorführen und konnten ihm dennoch nicht böse sein. Nach wie vor beherrschte George die Kunst, Menschen zu bezaubern, und nach all den aufgeregten Diskussionen trennten sich die drei stets mit freundschaftlichem Handschlag.
» Er ist ein wirklich netter Bursche « , bemerkte George mehrfach, wenn sie am Ende des Abends miteinander allein blieben.
Da sie nicht reagierte, begann er mit allerlei phantasievollen Zärtlichkeiten, ihre Lust anzufachen, zog ihr nach und nach die Kleider aus, ließ seine Finger über ihre Haut spielen und berauschte sich an ihrer Erregung Wenn er sie schließlich nahm, kam es ihr vor, als stürze er sich in einen tiefen Abgrund, wild entschlossen, die Zähne aufeinandergebissen, ohne einen Laut. Keine dieser Nächte brachte ihr Erfüllung, weder stillten sie ihr körperliches Begehren noch ihre Sehnsucht nach ihm. Ob es ihm ebenso erging? Wenn sie am Morgen leise aus dem Bett stieg und der Schein der Lampe auf sein Gesicht fiel, glaubte sie, seine Lider zittern zu sehen, doch anders als am ersten Tag stand er nun nicht mehr auf, um sie auf ihrem Ritt zu begleiten.
» Wir werden kein Kind haben, Charlotte « , sagte er eines Morgens unvermittelt. » Nach deiner Fehlgeburt habe ich einen Eingriff vornehmen lassen. Ich wollte nicht, dass du noch einmal so leiden musst. «
Es traf sie wie ein Schlag. Wie hatte er das tun können, ohne sie zu fragen? Wieso entschied er ganz allein darüber, ob sie ein Kind bekommen würden? War es nicht ihre Sache, ob sie litt oder nicht?
Er streckte den Arm nach ihr aus, wollte sie an sich ziehen, wollte, dass sie Verständnis zeigte, doch sie wich zurück, streifte sich hastig in einer Ecke des Zimmers ihre Kleider über und verließ das Schlafzimmer. Von da an berührten sie einander nicht mehr.
Einige Tage später erklärte er, aufbrechen zu müssen, er würde in der Klinik erwartet. Charlotte spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog. Da war er, der Abschied, vor dem sie sich so gefürchtet hatte, obgleich es doch eigentlich keinen Grund dafür gab. An diesem Morgen schickte sie Jeremy allein auf den Kontrollritt und blieb im Wohnhaus zurück, um mit Klara, Peter, Elisabeth und George das Frühstück einzunehmen. Es war ein angenehm warmer Tag unter einem klaren, wolkenlosen Himmel, Schammi und Martha Mukea hatten den Frühstückstisch auf der Terrasse aufgebaut. Hinter dem Haus schimpfte Jonas Sabuni auf die frechen Ziegen, die das hölzerne Gatter zu Charlottes Garten aufgestoßen und sich über den frischen Salat hergemacht hatten. Der Duft des blühenden Orangenbäumchens wehte zu ihnen hinüber, und Charlotte glaubte sogar, ihre Kaffeeblüten riechen zu können. Ach, sie war viel zu lange hier auf ihrer Plantage geblieben, alles war ihr ans Herz gewachsen, und es würde ihr unendlich schwerfallen, sich davon loszureißen.
» Willst du Elisabeth nicht lieber bei mir lassen, George?
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