Sanfter Mond über Usambara
einen Boten mitteilen lassen, er wolle mich vor Gericht bringen, weil die Schuld nicht bezahlt ist. Doch damit nicht genug: Hinterhältig bot er an, mir die Plantage für eine geringe Summe abzukaufen, womit die Schuld erloschen sei. Weigere ich mich, seinem Vorschlag zuzustimmen, so wird er mein Vieh und die Ernte pfänden lassen.
Liebe Freundin, ich meine mich zu erinnern, dass Sie mir anboten, einen Teil meiner Plantage zu kaufen. Vielleicht wäre es aber auch möglich, dass Sie den gesamten Besitz erwerben und die Schuld für mich begleichen?
Ich warte ungeduldig auf Ihre Antwort, da mir nicht viel Zeit bleibt. Die Fahrkarten müssen schon in zwei Wochen eingelöst werden, ansonsten verfallen sie…
Heute habe ich das Grab meines Mannes mit Amaryllis und Akazienzweigen geschmückt– wir haben alle geweint, es ist so schwer, diesen Ort zu verlassen. Und doch ist mein Herz schon ein Stück bei meinem geliebten Bruder in Iowa, der so großzügig für uns alle sorgen wird.
In tiefer Freundschaft und Dankbarkeit
Ida Manger
P S Ich habe mich geirrt, der Geldverleiher in Tanga ist kein Jude, sondern ein Inder mit Namen Kamal Singh. E s ist, wie mein seliger Mann immer sagte: Die Inder sind die Juden Afrikas.
Charlotte dachte wieder an den Brief, der sie vor gut zwei Wochen erreicht hatte, als sie jetzt durch die Straßen von Tanga spazierte, den rotbraunen Löwenhund an ihrer Seite. Es war kaum zu fassen, aber dieser so gefährlich aussehende Bursche folgte ihr treu ergeben auf Schritt und Tritt. Befand sie sich bei Klara und Peter im Zimmer, dann wartete er geduldig vor der Tür, bis sie wieder hinaustrat. Während der gemeinsamen Mahlzeiten lag er hinter ihrem Stuhl, und jeder, der vorüberging, machte einen respektvollen Bogen um ihn. Er trottete hinter ihr her ins Schulhaus, ja sogar in die Kirche, wo er sich gottergeben zwischen die Bänke legte. Der Klang des Harmoniums schien ihm Schmerzen zu bereiten, denn er zuckte immer wieder mit den Ohren, während sie übte. Manchmal lief er dann zu ihr hinüber und berührte ihren Arm mit seiner feuchten Nase, als wolle er sie bitten, mit diesem Lärm aufzuhören. Missionar Becker hatte versucht, den Hund aus dem Gotteshaus zu jagen, seine Absicht auf dessen wütendes Knurren hin jedoch schnell wieder aufgegeben.
Elisabeth war die Einzige, die den rotbraunen Gesellen mochte, sie war furchtlos herbeigelaufen, um ihn zu streicheln, doch der Hund erwies sich nicht als fröhlicher Spielgefährte, lief keinem Stock hinterher und hatte auch keine Freude daran, mit den Kindern herumzutollen. Seine Neigung galt allein Charlotte, sie musste in der Tiefe seiner Hundeseele eine Saite angeschlagen haben, die das Tier veranlasste, ihr wie ein Schatten zu folgen.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Rolle zu akzeptieren, die er ihr zugedacht hatte. Sie nannte ihn » Simba « , ihren Löwen.
Auf dem Weg hinunter nach Mombo trat er sich einen Dorn in die Pfote, und Charlotte machte ihm einen Verband, den er während der Nacht auffraß. In Mombo musste sie für ihn eine Fahrkarte lösen, da es unmöglich war, ihn im Güterwagen anzubinden– er biss einfach das Seil durch. Auf dem Markt in Tanga riss er zwei Stände um und stahl ein Huhn, das er seiner Herrin stolz vor die Füße legte. Verärgert kaufte sie ihm ein Halsband, um gegen weitere unangenehme Überraschungen gefeit zu sein, und hielt ihn auch jetzt fest an der Leine.
Die Adresse, die Ida Manger ihr angegeben hatte, befand sich in einer belebten Ladenstraße. Kamal Singh war längst aus Sansibar zurückgekehrt und hatte seine Netze auf dem Festland gesponnen. Für ihn war es leichter denn je, gute Geschäfte zu machen, da die Kolonialregierung die indischen Geschäftsleute seit Neuestem nicht mehr verdrängte, sondern förderte. Kamal Singh hatte Charlotte damals in Daressalam zu einem Laden verholfen und sie nach Kräften gefördert, gleichzeitig aber hatte er sie auch hintergangen, denn die Waren, die er in ihrem Laden versteckte, waren unverzollt gewesen. Eines Tages hatte überraschend die Polizei in der Inderstraße gestanden und Kamal Singhs Besitz beschlagnahmt; sie selbst hatte nachweisen können, dass sie mit dem Betrug nichts zu tun hatte, der Inder aber hatte sich nach Sansibar abgesetzt, von wo aus er seine Geschäfte weiterbetrieb. Charlotte hatte nie ergründen können, wie dieser Mann eigentlich zu ihr stand, doch heute würde sich das wohl herausstellen.
Der Laden führte die üblichen Waren,
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