Sanfter Mond über Usambara
Bursche, ich habe ihn den ganzen Tag lang verfolgt. Jetzt gehört er Ihnen, sein Fell wird sich über dem Kamin gut ausnehmen. «
Man hatte den Leoparden schon gehäutet und das Fleisch den wilden Tieren übergeben. Das gefleckte Fell mitsamt dem mächtigen Kopf hing über einer Stange, die von zweien ihrer Arbeiter getragen wurde. Jeremy hatte sich daneben aufgestellt, streifte sich mit vier Fingern das Haar aus der Stirn und blickte sie herausfordernd an.
» Wie kommen Sie dazu, drei meiner Arbeiter auf Ihre lächerliche Jagd mitzunehmen? « , fuhr sie ihn an.
Sein Gesicht versteinerte, jetzt sah er aus wie ein trotziges Kind.
» Ich bin den ganzen Tag herumgelaufen, um Ihnen diese Beute zu bringen… «
» Habe ich Sie darum gebeten? Ich hasse es, wenn jemand ein so schönes Tier ohne ersichtlichen Grund abschießt! «
Drüben starrte Klara erschrocken zu ihnen hinüber, auch Johannes Kigobo und Peter hatten die Köpfe gehoben, die Kinder, die eben noch fröhlich gelacht und gespielt hatten, verstummten und schauten auf das blutige Fell des Leoparden. Simba, der wie üblich neben Charlottes Stuhl saß, hatte sich aufgerichtet und knurrte die Jagdbeute feindselig an.
» Wenn das so ist « , sagte Jeremy und nahm das Leopardenfell an sich. » Dann bin ich hier wohl am falschen Ort. Leben Sie wohl, Lady! «
Nur zehn Minuten später ritt er davon.
Januar 1908
» Es ist seltsam– um diese Zeit wird mir immer ganz weich ums Herz, und ich denke an unsere deutsche Heimat. Dabei sind wir hier doch vollkommen glücklich und zufrieden. Aber das deutsche Weihnachtsfest ist etwas ganz Besonderes… «
Erdmute Krüger hatte Zedernzweige zu einem Bäumchen zusammengebunden und mit silbernen Kugeln, Glasvögelchen und Lametta geschmückt. Der improvisierte Christbaum nahm sich sehr festlich auf dem schönen Büfett zwischen zwei silbernen Leuchtern aus. Der Wohnraum der Krügers war mit dunklen gedrechselten Möbeln und hohen Sesseln ausgestattet, die sie aus Deutschland hatten kommen lassen. Nebenan gab es noch ein ähnlich eingerichtetes Esszimmer und einen Raum, in dem das Ehepaar seine Besucher empfing.
» Ja, die deutsche Weihnacht ist mit keiner anderen zu vergleichen « , meinte auch Peter Siegel. » Und doch kam Christus in die Welt, um allen Menschen auf Erden ein Licht in der Finsternis ihrer Sünde zu sein. «
Es war schon fast Mitte Januar und Weihnachten längst vorüber, doch Charlotte hatte den versprochenen Besuch wegen der starken Regenfälle erst heute machen können. Sie wurde von Elisabeth und Peter Siegel begleitet, Klara hatte es vorgezogen, auf der Plantage zu bleiben. Sie fand die Krügers zwar sehr nett, aber sie scheute sich auch vor ihnen, da sie ihrer Meinung nach einer anderen Welt angehörten. Gustav Krüger war früher Major der deutschen Schutztruppe gewesen, und seine Frau stammte aus einer reichen Gutsbesitzerfamilie.
» Es sind diese schönen, alten Bräuche, die man in anderen Ländern nicht findet « , mischte sich Charlotte ein und streichelte Simba, der neben ihr auf dem Boden lag, über den großen Kopf. Erdmutes Punsch duftete aromatisch, Zimtsterne schwammen in der Kanne, kleine Nelken, die man zu Hause » Nägelchen « nannte, außerdem Orangen- und Zitronenschalen. » Als Kinder haben wir Christbaumschmuck aus buntem Papier ausgeschnitten, und wenn es kalt genug war, sind wir auf der Leda Schlittschuh gelaufen. «
Erdmute nickte begeistert und erzählte von vergoldeten Nüssen und einer gewaltigen Tanne, die man in der Eingangshalle des Gutshauses aufstellte, mit Äpfeln und Strohsternen geschmückt. » Dort wurden unsere Angestellten beschert. Die Frauen erhielten einen schönen Stoff, die Männer Leder für neue Schuhe, auch die Kinder wurden nicht vergessen… «
Charlotte lächelte versonnen, obgleich sie selbst kaum in nostalgischen Erinnerungen an das Weihnachtsfest in Leer schwelgte. Es bestand aus Putzen, Küchendienst und Gottesdienst, die Geschenke waren mager, nur wenn die Verwandtschaft zu Besuch kam, herrschte im Haus für eine Weile fröhliches Treiben. Aber das behielt sie besser für sich. Es war angenehm, in dem weichen Sessel zu sitzen, sich mit gutem Essen und leckerem Punsch verwöhnen zu lassen, alle Sorgen zu vergessen und die Wärme dieser Umgebung zu genießen. Nicht die äußere Wärme– im Januar herrschten ohnehin sommerliche Temperaturen im Usambara-Gebirge–, sondern die Freundschaft der blonden Erdmute, die nur zehn Jahre älter als
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