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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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hatte nie eine besonders gute Intuition besessen, doch jetzt spürte er ganz sicher etwas.
    Bei der nächsten Abzweigung schielte er über seine Schulter – und erkannte den, der ihm folgte, sofort. Ein normaler Typ, ein Jüngelchen. Kein Polizist, das war ganz offensichtlich.
    Er wirkte fahrig, ein wenig gebückt. Mit Locken, die unter der Kapuze hervorlugten – schulterlange Haare. Und eine lange Nase. Die Augen zwinkerten kurzsichtig. Sonderbare Type … Was willst du, Arschgeige?
    Sascha stapfte noch weitere sieben Minuten dahin, wartete die ganze Zeit, dass der Park käme – im Park könnte er diesen Mistkerl abpassen und fragen, was er denn verloren hätte. Aber die Parks wollten einfach nicht kommen.
    Sascha war ganz ruhig, er wollte jetzt nicht einmal mehr die Pistole loswerden.
    Er bog zum Gelände mit den Neubauten ab, kroch durch ein Loch im Schutzzaun. Von Ziegel zu Ziegel springend – der Boden war schmutzig, matschig – schaute er auf die Fenster des Gebäudes, das nur bis zum dritten Stock gebaut war. Arbeiter waren keine da.
    Er lief in das Gebäude und versteckte sich an einem Fenster.
    »Ich warte eine Minute lang.«
    Er konnte ja nicht ins Hotel gehen – mit diesem Anhang, der ihm folgte. Vielleicht war es besser, gar nicht im Hotel aufzutauchen.
    »Wir klären das jetzt mal«, dachte Sascha.
    Er wusste, der ihm da folgte, würde bald auftauchen.
    Da war er. Mühsam zwängte er sich zwischen den Tafeln durch – offenbar schlecht entwickelte Muskulatur, im Ganzen war er irgendwie schlecht zusammengesteckt, mit dünnen Beinen. Er schaute sich um, atmete schwer.
    »Komm nur hierher, Irrläufer« – Sascha drückte sich mit dem Rücken an die Wand und ging langsam in die Hocke.
    Die Schritte quietschten.
    »Geht der auf Zehenspitzen, oder was?«, amüsierte sich Sascha. »Langsam hebt er die langen Beine … der Fährtensucher, Scheiße.«
    Er drehte den Kopf, sah die Stiefel, die sanft auf dem Betonboden des Hauses auftraten … der zweite Stiefel …
    »Tritt ein, Freund: Und komm in den zweiten Stock«, sagte Sascha ruhig. Als er verstanden hatte, dass niemand gefolgt war, fügte er laut hinzu: »Schnell! Schnell!«
    »Was bist’n du für einer«, fragte Sascha oben.
    »Und du?«
    Sascha trat den neuen Bekannten mit dem leichten und kräftigen Bein gegen das Knie und gleich drauf schlug er ihm mit der Faust gegen die Stirn. Auf die Stirn – er hatte absichtlich darauf gezielt.
    Der Junge fiel auf den Hintern – mit den dünnen Beinen strampelnd rutschte er auf dem Hintern in die Ecke.
    Sascha hob einen großen und schweren Ziegelstein vom Boden: »Wenn du blödes Zeug redest, schmeiß ich dir den Ziegel in die Fresse.« Er drehte den Ziegel in der Hand.
    »Wer bist du?«, wiederholte Sascha.
    »Ein Mensch.«
    »Fang auf, Mensch.«
    Sascha warf den Brocken, zielte knapp über den Kopf. Er prallte gegen die Wand, dann fiel der Ziegel dem Sitzenden auf den Rücken, der die Hände schützend über den Kopf hielt. Er begann sich wieder zu regen, bewegte die Schultern, der Ziegel fiel neben ihm herunter.
    Sascha machte keine Anstalten, ihn aufzuheben.
    Der Sitzende schaute Sascha an, schließlich schielte er zum Ziegel.
    »Aha, nimm ihn nur«, schlug Sascha vor.
    Er rührte den Ziegel nicht an, natürlich nicht.
    »Sitzt du bequem?«
    Als Antwort kam nur etwas Undeutliches heraus.
    »Ha!?«, fragte Sascha laut, wie ein Tauber.
    »Geht bequemer«, folgte die rasche Antwort, überstürzt und sich verhaspelnd – es klang wie »belämmert«.
    »Wer ist belämmert?«, interessiert sich Sascha, obwohl er alles genau verstanden hatte.
    »Ich hab’s bequem, sagte ich.«
    »Und ich dachte, du hast dich vorgestellt: Belämmert. Du bist also nicht – belämmert? Was?
    Warum denn nicht – ist ein guter Name. Komm, du heißt ab jetzt der Belämmerte.«
    Sascha holte eine Zigarette heraus. Er rauchte – ohne jedes Pathos. Längst hatte er schon rauchen wollen, das war’s jetzt.
    »Warum bist du mir nachgegangen, Belämmerter?«, fragte Sascha.
    Keine Antwort.
    Sascha drehte ihm den Rücken zu, er suchte etwas am Boden. Im anderen Zimmer bemerkte er einen Eimer; er ging ihn holen, sicher, dass ihm kein Ziegel nachfliegen würde. Den Eimer fröhlich schwenkend kam er zurück, bemerkte innerlich lachend, dass der Ziegel aufgehoben worden war und näher bei den Füßen mit den lächerlich weißen Basketballschuhen lag. Ohne etwas zu sagen, schlug Sascha dem Sitzenden den Eimer über den Kopf.

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