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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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erkannte ihn sofort.
    Aus irgendeinem Grund hatte er erwartet, der Richter würde einen schwarzen Mantel tragen, zusätzlich den Kragen aufgestellt, aber nein, er trug eine Jacke, gute Schuhe; ohne Sascha eines Blickes zu würdigen, wich er ihm aus und ging die Straße entlang. Seine weiße Mähne flatterte im Wind.
    Sascha blieb am Eingang stehen, wandte sich nicht um, den Nacken angespannt, hörte er die sich entfernenden Schritte, gleichmäßig, bestimmt.
    Eine Minute später heftete er sich an seine Fersen. Er sah den Rücken des Richters, schaute ihm beharrlich nach. Von Zeit zu Zeit verschwand der Rücken, verdeckt von anderen Rücken oder durch die Gasse, die sich weich wie ein Ärmel bog. Sascha beschleunigte seine Schritte, rempelte Entgegenkommende an, ging schneller, betrunken, stumpfsinnig. Er zog Zigaretten heraus und verlor sie sofort wieder, nicht imstande, sie im Gehen anzuzünden, er fluchte zornig.
    Schließlich verlor er den Richter, stand mitten auf dem Trottoir, schaute sich wütend um, wohin er geraten sein mochte. Sein Blick blieb an einer Hausnummer hängen. Der Richter war zum Abendessen gegangen. Das war sein Haus.
    Um vier Uhr morgens wachte er auf. Vier Uhr siebzehn. Er schaltete die Nachttischlampe ein, blinzelte, betrachtete den kurzen und den langen Zeiger. Er ging auf die Toilette und urinierte, dabei öffnete er die Augen nicht einmal richtig, er hörte nur hin, ob er in die Muschel traf, oder nicht. Er putzte die Zähne, trank Wasser direkt aus der Leitung, wusch sich, hasste Wasser und Gesicht gleichermaßen. Er ließ sich aufs Bett fallen, schaute an die Decke, wollte nicht schlafen.
    An die Decke war ein Wachstuch geklebt. Sascha bezeichnete es für sich so – »Wachstuch«. Er wusste nicht, wie das tatsächlich hieß.
    Das Wachstuch war gelb. Über dem Bett hing ein Bild. Sascha versuchte es aus seiner Lage zu erkennen, er war zu faul, den Kopf zu drehen. Er verstand nichts.
    Er atmete tief durch. Wollte Bier. Ohne hinzuschauen, schlug er mit der Handfläche gegen den Nachttisch – ihm fiel ein, dass er vor dem Schlafen zu rauchen versucht hatte, ja, sogar die Zigaretten aus der Jacke herausgeholt hatte. Die Jacke hatte er neben das Bett geworfen. Die Schuhe lagen ein Stück weiter – einer mit der Sohle nach oben, der andere auf der Seite.
    »Ein Aschenbecher wäre auch nicht schlecht …«, dachte Sascha, als er sich eine ansteckte.
    Er nahm ein Glas vom Nachttisch, stellte es auf die Brust, hielt es mit der Linken. Kein einziger Gedanke kam ihm in den Sinn.
    »Absolute Leere …« flüsterte Sascha. »Wie in einer verlassenen Scheune … He, ist da jemand? Irgendeine alte Harke, die niemand braucht … oder so? Denselben Blödsinn noch einmal aufführen? Nein, nein … Es ist gar nichts da …«
    Er erinnerte sich, woran er normalerweise dachte, wenn er einschlafen wollte. Das paarweise Abzählen von weißen Schafen hatte noch nie geholfen. Dabei störten die Frauen. Manchmal fielen ihm die Lieblingsbücher ein, jetzt kam ihm aber keines
in den Sinn. Ja, und bisweilen stritt er auch mit jemandem, in Gedanken, aber streiten … wollte er nicht …
    Er fühlte sich trüb und schwer – dabei hatte er aber auch die fixe Gewissheit, dass alles unvermeidlich war: Er, Sascha, würde alles zu Ende bringen. Als unterliege schon nichts mehr seinem Willen und seiner Macht – wie ein Urteil. Es ist gefällt, kein Einspruch ist mehr möglich. Es unterliegt dem Vollzug.
    Er warf die Zigarette in ein Glas, weil er zu faul war, sie auszudrücken; sie qualmte noch eine Zeitlang weiter.
    So lag er da. Links der dunstige Rauch, das trübe Bild rechts, eine Decke auf den Füßen, ein seltsamer Ausschlag auf der Brust, zwei fast abgefrorene dunkle Brustwarzen. Es blieb nichts andres übrig, als wieder zu rauchen.
    Am Morgen schlief er ein – unruhig und wüst, mit schwerem Leib, kalten und nassen Füßen. Die ganze Zeit über wälzte er sich im Kreis und wollte sich noch mehr einrollen, sich in die Ecke verdrücken, unsichtbar daliegen.
    Widerwillig öffnete er die Augen, es war fast elf Uhr.
    »Steh auf, Freundchen«, sagte er zu sich selbst. Und er stand auf.
    Mit der Zahnbürste in der Hand vor dem Spiegel stehend schaut er sich lange an, krallte seine Finger fest um die Bürste, als wollte er sie irgendwo hineinstecken, in den lebendigen Leib. Er putzte eilig die Zähne, in dreißig Sekunden.
    Zehn Minuten später war er schon auf der Straße, er ging schnell, schaute zu Boden. Im

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