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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Es fiel recht laut aus. Und offenbar auch halbwegs schmerzhaft. Sascha überlegte und verpasste dem Sitzenden noch eine mit dem Eimer. Diesmal traf er die schützend über den Kopf gehaltenen Hände.
    »Ich habe dir zwei Fragen gestellt – wer du bist, und warum du mir nachgegangen bist; du hast mir bisher aber nur gesagt, dass du der Belämmerte bist. Los, machen wir uns näher bekannt. Ich weiß nichts über dich.«
    »Ich bin Journalist«, bekam Sascha plötzlich zur Antwort.
    »Wunderbar. Zeig deinen Ausweis.«
    Er zeigte ihn. Er war auf Lettisch ausgestellt.
    »Wir werden das genau überprüfen«, beschloss Sascha und schaute den Ausweis an, auf dem er ganz und gar nichts verstand. »Es genügt, dass die Person auf dem Foto zumindest keine Uniform trägt.«
    »Und warum hast du mich verfolgt, Journalist?«
    Drei Sekunden Schweigen. Sascha schwenkte den Eimer.
    »Ich habe dich gestern bemerkt. Du bist dem Richter betrunken nachgegangen.«
    »Was ich für ein Wichser bin«, dachte Sascha.
    »Und woher weißt du, dass es ein Richter ist.«
    »Ich bin Journalist, das habe ich doch gesagt. Und den kennen doch alle … außerdem wird er oft im Fernsehen gezeigt. Wurde er gezeigt …«
    »Und warum hast du nicht die Polizei gerufen?«
    »Aus welchem Grund denn? Weil du durch die Straßen läufst? Und wenn es ein Zufall gewesen wäre – wie hätte ich dann ausgesehen?«
    Sascha nickte – »Sprich weiter.«
    »Und vor einer Stunde kam ich vorbei – unsere Redaktion befindet sich in der Nähe –, da fiel mir auf, dass du heute wieder da bist. Ich habe ein wenig gewartet – und gesehen, dass du wieder dem Richter folgst. Dann bin ich dir nachgegangen. Das ist alles.«
    Sascha warf die Zigarette auf den Boden. Er schwieg.
    »Also hast du kapiert, dass ich nichts damit zu tun habe, Journalist?«
    Der senkte zustimmend den Schnabel.
    Sascha bemerkte, dass er eine dumme Frage gestellt hatte: Warum, zum Teufel, malträtiert er ihn mit dem Eimer, wenn er doch gar nichts damit zu tun hat.
    »Nein, du hast nichts kapiert, nehme ich an«, sagte Sascha, der ein wenig zu philosophieren begann. Er stellt den Eimer ab, den Boden nach oben, und setze sich vor den Journalisten. »Kurz – die Situation ist folgende«, sagte Sascha. »Ich sage es dir noch einmal: Ich habe damit nichts zu tun. Der Richter wurde umgebracht, und ich weiß nicht, wer es getan hat. Solltest du mich aber anzeigen – dann bekomme ich höchstwahrscheinlich Schwierigkeiten. Die ich nicht verdient habe. Wenn du mich nicht verrätst – wird alles gut. Für uns beide. Was wirst du tun? Anzeigen?«
    Der Journalist schüttelte den Kopf.
    »Und warum sollte ich dir glauben?«, fragte Sascha. »Vielleicht sollte ich dich besser doch umbringen? … Ha? Was für Pläne hast du, ich hab es vergessen.«
    »Ich gehe jetzt nach Hause.«
    »Ja? Und was passiert dann?«
    »Geh ich mit dem Hund spazieren.«
    »Und dann?«
    »Leg ich mich schlafen.«
    »Soll ich dich begleiten?«
    »Wie du willst …«
    »Na dann, gehen wir.«
    Auf der Straße wurde es dunkel.
    »Verdammt, jetzt muss ich wieder mit der Pistole herumlaufen«, überlegte er. »Wo soll ich sie nur loswerden? …«
    Er brachte den Journalisten bis zur einer Öffnung im Zaun.
    »Hau ab«, sagte er zum Abschied.
    Er schaut ungläubig, wie sich der Journalist in Einzelteilen durch die Öffnung zwängte, die Beine zusammenraffte, und zwar derart ungeschickt, als wäre er irgendein kriechendes Insekt, von dem einige Beine schon auf der anderen Seite des Zaunes hilflos rumbaumelten.
    Sascha hatte sich gerade eine Zigarette angesteckt, als durch den Zaun das Gesicht des Journalisten plötzlich noch einmal auftauchte.
    »Du bist doch einer von den ›Sojusniki‹?«, fragte das Gesicht.
    Sascha fiel nicht einmal ein, was er hätte antworten können.
    »Scheiß dich nicht an, ich verrate dich nicht«, versprach der Journalist unerwartet fröhlich, aber mit unüberhörbar verächtlichem Spott; dann verschwand er.
    Ihm nachzulaufen, wäre dumm gewesen. Die Straße entlang, ja, und dabei mit der Knarre herumfuchtelnd …
    Sascha wischte die Pistole schnell mit dem Schal ab, steckte sie in eine dreckige, von Kalk ganz graue Tüte, die er auf dem Boden gefunden hatte. Mit dieser Tüte in der Hand ging er den ganzen Neubau ab und suchte nach einem anderen Ausgang. Er fand nichts. Hinter dem Zaun fiel ihm ein Gebüsch auf, dort warf er die Tüte hinein.
    Den Schal beseitigte er später in einem Mülleimer.

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