Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
Vom Netzwerk:
begann die Mutter sofort mit ihrer alten Leier. »Eine Arbeit? Was, Söhnchen? Er arbeitet ja an der Uni …«
    »Genau darüber werden wir reden«, tat Sascha scherzend ab, obwohl er zu jedem anderen Zeitpunkt in so einer Situation gemeckert hätte. Die Mutter, die jeden – aus ihrer Sicht – ordentlichen Menschen beneidete, wollte Sascha, koste es was es wolle, irgendwo unterbringen.
    Zum Abschied steckte sie Sascha einen Fünfhundertrubelschein zu, den sie aus der mageren Geldbörse gezogen hatte. Dort war noch so einer, und das war anscheinend alles.
    »Wie jämmerlich dieses Portemonnaie ist«, dachte Sascha, »irgendwann war es rot, schlabbrig ausgebeult … schaut beleidigt aus … Teufel noch mal, wie mich das ekelt …«
    Besletow unterrichtete nicht mehr an der Universität. Er arbeitete in der Verwaltung. »Berater des Gouverneurs« – stand auf der Visitenkarte, die Besletow Sascha gegeben hatte.
    Sie saßen im Café, im Stadtzentrum, an einem lackierten Holztisch.
    »Wirst du etwas essen?«, fragte Besletow.
    »Ich habe kein Geld.« Sascha hatten keine Lust, den Fünfhunderter, den ihm die Mutter zugesteckt hatte, auszugeben – auf das Mittagessen verzichten wollte er aber auch nicht. »Soll mich der durchfüttern«, beschloss Sascha zynisch. Essen wollte er – und wie! Sascha kaute an einem Zahnstocher und rauchte gleichzeitig. So saß er am Cafétisch da, gleichzeitig Zahnstocher und Zigarette zwischen den Zähnen.
    »Was nimmst du?«, fragte Besletow.
    »Und Sie, werden Sie etwas essen? Bestellen Sie für mich dasselbe wie für sich. Damit ich mich bei der Auswahl nicht quälen muss.«
    Besletow gab die Bestellung auf, durchaus großzügig – Vorspeise, Fleisch und Dessert. Sascha wurde ein bisschen wacher und schaute jedes Mal erwartungsvoll Richtung Kellnerin, wenn diese mit einem Tablett auftauchte – ob sie sie nicht zu ihnen kam.
    »Ich werde dich jetzt mit jemand bekannt machen«, sagte Besletow. »Wir arbeiten zusammen. Er hat andere Ansichten als ich. Wir diskutieren oft miteinander. Aber ich hätte es sehr gerne, wenn ihr euch miteinander unterhalten könntet. Mir scheint, er hat einige wichtige Dinge verstanden …«
    »Die ich noch nicht kapiert habe«, fügte Sascha lächelnd hinzu. Die Suppe wurde gebracht. Über der Schüssel stieg Dampf auf.
    Zur Antwort lächelte Besletow zurück.
    »Dass ich so hungrig bin, das ist gar nicht gut …«, dachte Sascha, der die Suppe gierig verschlang. »Mir ist einfach kalt«, rechtfertigte er sich.
    »Also, Sascha, wie geht’s dir?«, interessierte sich Besletow. Er hielt einen Löffel mit Suppe in der Hand, die er noch nicht zu essen begonnen hatte, fummelte mit der Serviette herum.
    »Ich wollte einen Richter umbringen, was aber nicht gelungen ist«, antwortete Sascha in Gedanken mit lebendiger Stimme und schaute dabei auf die Olive auf Besletows Löffel. Aber er sagte nichts, zog nur eine unbestimmte Grimasse.
    »Und wo bleibt denn nun Ihr Mann?«, fragte Sascha.
    »Er kommt bald. Er hat viel zu tun.«
    »Ist er auch Berater? Was macht er?«
    Jetzt antwortete Besletow mit einer Grimasse, er hatte die fast unverhohlene Ironie in Saschas Frage bemerkt. Besletows Grimasse besagte in etwa, dass er darüber nichts Unseriöses sagen wollte, und übrigens auch nichts Seriöses. Ohnedies hätte alles lang und breit erklärt werden müssen.
    »Sascha, wissen Sie… Im Großen und Ganzen sollte mich Ihr Schicksal gar nicht berühren. Sie sind mir ein nicht gerade nahestehender Mensch. Aber … Ich möchte jetzt keine Banalitäten von mir geben … Die Erinnerung an Ihren Vater … Sie selbst sind mir auch sympathisch, weil … Sie scheinen ziemlich aufgeweckt …«
    Sascha nickte zustimmend, oder – genauer gesagt – sein zustimmendes Nicken wirkte ziemlich nachlässig: »Ja, ja, ich höre ihnen aufmerksam zu, ja, ja, das ist alles richtig, wir beide haben Papa geliebt, und ich bin offenbar wirklich aufgeweckt …«
    Besletow bemerkte diese lässige Unaufrichtigkeit und runzelte abwehrend die Stirn, als hätte er eine schlechte Olive erwischt.
    »Sascha, ist Ihnen nie aufgefallen, dass die Aktionen der ›Sojusniki‹ eine äußerst merkwürdige Mischung aus Mut und Narrentum darstellen?«, änderte er plötzlich den Ton. »Außerdem gleicht euer Mut dem Mut eines Narren, der fürs Erste ganz ehrlich glaubt, er würde nicht bestraft, sich dann wundert, dass er aber dennoch bestraft wurde und die ganze Narretei schließlich aus Masochismus

Weitere Kostenlose Bücher