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Sansibar Oder Der Letzte Grund

Sansibar Oder Der Letzte Grund

Titel: Sansibar Oder Der Letzte Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Andersch
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dieser junge Mann, der sie aus irgendeinem Grunde nicht mochte, der finster neben ihr herging, der einen Kuß unterbrochen und das Vaterunser zurückgewiesen hatte, aber aus Gründen, die sie nicht einmal ahnen konnte, ein Mädchen und einen hölzernen Mönch zu retten unternahm. Die Nacht war wild und unbekannt, der Mann neben ihr war fremd und rätselhaft, und Judith hatte Angst.
    Der Weg senkte sich unmerklich, wurde zum Hohlweg, von sandigen Karrenspuren zerpflügt; als er sich öffnete, gerieten sie auf feuchtes, ebenes Wiesenland, das sich ein paar hundert Meter weit vor ihnen erstreckte - das Ufer des Haffs. Sie gingen, die Richtung beibehaltend, auf die Wiesen hinaus, und nach ein paar Minuten konnten sie eine dunkle Gruppe vom Nachthimmel unterscheiden: das Boot und den Jungen, der neben dem Boot stand und sie beobachtete, wie sie sich näherten. Auf den offenen Wiesen stieß der Wind sie förmlich auf ihn zu, sie kamen atemlos bei ihm an. Der Junge begrüßte sie nicht. Er starrte Gregor an und fragte: Sind Sie der, den ich zum Schiffer bringen soll? Er sprach mecklenburgisches Singsang-Platt.
    Ja, sagte Gregor. Aber der Junge blieb zweifelnd stehen und sagte: Es ist wegen der Frau. Der Schiffer hat nichts von einer Frau gesagt.
    Das geht schon in Ordnung, sagte Gregor. Du wirst es schon sehen, wenn wir Knudsen treffen.
    Der Junge zuckte mit den Achseln. Der Wind ist schit heute, sagte er und half Judith beim Einsteigen. Er plazierte sie in das Heck des Bootes, ans Steuerruder, Gregor auf die Mittelbank und sich selbst an das vordere Ruderpaar. Er stakte das Boot mit ein paar gewandten Stößen vom Ufer ab. Das Wasser lief hier flach ans Ufer, bis an die Wiesennarbe, die höchstens eine Handbreit über dem Wasserspiegel stand.
    Gregors erste Ruderschläge waren ungeschickt, sie behinderten die Stakrichtung, aber der Junge hing sehr rasch seine Ruder in die Dollen und brachte das Boot in tieferes Wasser. Sie wendeten das Boot, so daß es in Fahrtrichtung kam; Judith auf der Bank achtern sitzend, konnte nun nach vorn schauen, in die Richtung der Ruderschläge, während Gregor und der Junge auf das Ufer zurückblickten, das sie verließen. Eine Weile noch konnte Gregor die Kerbe des Hohlwegs sehen, durch den sie auf die Uferwiesen gelangt waren, dort, wo das Land in einer leichten Welle zur Uferfläche abfiel, dann schwand diese Einzelheit dahin, und er sah nur noch den dunklen Wiesenstrich und dahinter die Erhöhung des Landes, einem Deich ähnlich, vom Gewölk leerer Baumkronen undeutlich gegliedert. Er hatte das Paket mit der Figur darin sorgfältig unter der Bank verstaut, auf der er saß, und er bemühte sich nun, die Ruder so gleichmäßig einzutauchen wie möglich, aber er spürte, wie mangelhaft ihm das gelang und wie rasch und sicher der Junge seine Fehler ausglich. Sie kamen ziemlich schnell vom Ufer ab. Judith hatte das Steuer in die rechte Hand genommen, sie ließ den Unterarm auf der hölzernen Pinne ruhen und bewegte sie geschickt nach den Weisungen des Jungen, der manchmal ›links‹ sagte oder ›stärker nach links‹. Boote waren ihr vertraut, wenn auch nicht gerade schwere Fischereiboote mit Ruderpinnen, aber sie hatte in den Alsterböen gesegelt, und sie kannte Jungens wie diesen da, die schweigsam waren, wenn sie in ihren Booten saßen und nur eines erwarteten: daß man richtig und schnell reagierte. In einem Boot wurden Jungens zu kleinen Männern, hart und sachlich, und man konnte nichts anderes tun, als sich auf sie einstellen.
    Gregor bemerkte, daß der Junge mit seinen Steueranweisungen das Boot immer in einer gewissen Nähe des Ufers hielt. Offenbar wollte er nicht zu weit hinaus. Gregor wandte sich um und orientierte sich. Ihr Gang hatte sie von Rerik aus an eine Stelle geführt, die im inneren Bogen der Bucht lag, halbwegs auf dem Weg zur Spitze der Halbinsel, die Lotseninsel hieß; Gregor sah den Leuchtturm, der Lichtstrahl vom Turm wanderte von irgendeinem Punkt auf der offenen See im Osten nach Westen, bis dorthin, wo die Halbinsel ansetzte. Gegen das Haff zu war das Lampengehäuse des schwarz und weiß gebänderten Turms abgeschirmt, — es war unnötig, den Strahl über das Binnenwasser gleiten zu lassen. Die Lichter von Rerik waren nicht zu sehen; das südliche Ufer des Haffs verbarg die Stadt, die in einer weiteren kleinen Bucht landein lag.
    Warum hältst du das Boot so dicht an Land? fragte Gregor, so müssen wir ja den ganzen Bogen ausrudern. Können wir nicht querüber

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