Sara Linton 01 - Tote Augen
Lichter blinkten und warfen ihr gespenstisches Licht in die Dunkelheit. Das erinnerte sie an den Abend, als Jeffrey gestorben war – zuerst die Horden von Polizisten, dann die staatlichen Beamten, und überall Männer in weißen Schutzanzügen und Stiefeln, die den Tatort durchkämmten.
» Sara?«
Sie drehte sich um. Mary stand in der offenen Tür und winkte sie ins Gebäude. » Schnell!«
Sara lief auf die Tür zu, und Mary rief ihr die wichtigsten Infos zu. » Unfall mit einem Fahrzeug und Fußgänger. Krakauer hat Fahrer und Beifahrer übernommen, bei Fahrer Verdacht auf Myokardinfarkt. Sie haben die Frau, die vom Auto angefahren wurde. Offene Frakturen an rechtem Arm und rechtem Bein, vor Ort ohne Bewusstsein. Verdacht auf sexuelle Misshandlung und Folter. Helfer vor Ort war zufällig Rettungssanitäter. Hat getan, was er konnte, sieht aber schlecht aus.«
Sara war sicher, dass sie das missverstanden hatte. » Sie wurde vergewaltigt und von einem Auto angefahren?«
Mary ging nicht näher darauf ein. Ihre Hand lag wie ein Schraubstock um Saras Arm, als sie den Gang hinunterliefen. Die Tür zum Notfall-Aufnahmezimmer stand offen. Sara sah die Rollbahre und drei Sanitäter, die die Patienten umringten. Ebenfalls im Raum stand Will Trent, der sich über die Frau beugte und versuchte, sie zu befragen.
» Können Sie mir Ihren Namen nennen?«, fragte er.
Sara blieb am Fuß der Bahre stehen, Marys Hand noch an ihrem Arm. Die Patientin lag auf der linken Seite in Embryonalhaltung. Bänder fixierten sie auf der Bahre, pneumatische Schienen stabilisierten Arm und Bein der rechten Seite. Sie war wach, ihre Zähne klapperten, sie murmelte etwas Unverständliches. Unter ihrem Kopf lag eine zusammengerollte Jacke, eine Halskrause stabilisierte den Nacken. Die rechte Seite ihres Gesichts war mit Dreck und Blut verklebt, Isolierband hing ihr von der Wange und klebte in ihren dunklen Haaren. Ihr Mund war offen, die Lippen zerschnitten und blutig. Das Tuch, mit dem die Sanitäter sie zugedeckt hatten, war heruntergezogen, und an der Seite ihrer Brust klaffte eine so tiefe Wunde, dass leuchtend gelbes Fettgewebe zu sehen war.
» Ma’am?«, fragte Will. » Sind Sie sich Ihres Zustands bewusst?«
» Gehen Sie weg«, befahl Sara und schob ihn resoluter zurück, als sie beabsichtigt hatte. Er stolperte, kämpfte ums Gleichgewicht. Sara war es egal. Sie hatte den kleinen Digitalrekorder in seiner Hand gesehen, und es gefiel ihr nicht, was er hier tat.
Sara zog ein Paar Gummihandschuhe an, als sie sich hinkniete und zu der Frau sagte: » Ich bin Dr. Linton. Sie sind im Grady Hospital. Wir kümmern uns um Sie.«
» Hilfe … Hilfe … Hilfe«, flehte die Frau, und ihr Körper zitterte so heftig, dass die Bahre klapperte. Ihre Augen starrten stumpf ins Leere. Sie war entsetzlich dünn, ihre Haut schuppig und trocken. » Hilfe …«
Sara strich ihr so sanft über die Haare, wie sie konnte. » Wir haben hier sehr viele Leute, und wir werden Ihnen helfen. Aber Sie müssen bei mir bleiben, okay?« Sara stand auf und legte der Frau leicht die Hand auf die Schulter, um sie wissen zu lassen, dass sie nicht allein war. Zwei weitere Pfleger standen in dem Zimmer und erwarteten Anordnungen. » Zustand?«
Sie hatte die Frage an die uniformierten Rettungssanitäter gerichtet, aber der Mann ihr gegenüber fing an zu reden und ratterte in hektischem Stakkato die Vitalfunktionen der Frau und die unterwegs erstellte Diagnose herunter. Er trug Straßenkleidung, die blutbeschmiert war. Wahrscheinlich derjenige, der vor Ort erste Hilfe geleistet hatte. » Durchdringende Wunde zwischen der elften und der zwölften Rippe. Offene Frakturen rechter Arm und rechtes Bein. Stumpfe Gewalteinwirkung am Kopf. Sie war bewusstlos, als wir ankamen, kam aber zu Bewusstsein, während ich an ihr arbeitete. Wir konnten sie nicht flach auf den Rücken legen«, erklärte er, und nun lag Panik in seiner Stimme. » Sie schrie die ganze Zeit. Wir mussten sie ins Fahrzeug bringen, deshalb schnallten wir sie einfach fest. Ich weiß nicht, was los ist mit … Ich weiß nicht, was …«
Er unterdrückte ein Schluchzen. Seine Angst war ansteckend. Die Luft war wie aufgeladen mit Adrenalin, verständlich beim Zustand des Opfers. Auch Sara spürte Panik in sich aufkeimen. Sie fühlte sich kaum in der Lage, die Schädigungen zu beurteilen, die dieser Körper erlitten hatte, die vielen Wunden, die offensichtlichen Folterspuren. Mehr als eine Person im Zimmer hatte Tränen
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