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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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» Ich suche ihn lieber selbst.«
    Mary bemerkte: » Anpiepsen geht schneller. Nebenstelle 392.« Sie klebte eine Schleife des Infusionsschlauchs auf den Handrücken der Frau und fragte Sara: » Wollen Sie noch mehr Morphium an Bord?«
    » Wir müssen erst herausfinden, was mit ihr los ist.« Sara versuchte, den Torso der Frau zu untersuchen, doch sie wollte den Körper nicht bewegen, bis sie genau wusste, womit sie es zu tun hatte. Zwischen der elften und der zwölften Rippe war ein klaffendes Loch, was erklärte, warum die Frau geschrien hatte, als sie versuchten, sie zu strecken. Das Dehnen zerrissenen Muskel- und Knorpelgewebes musste unerträglich gewesen sein.
    Die Rettungssanitäter hatten ihr an Arm und Bein der rechten Seite neben den pneumatischen Schienen zusätzlich Kompressionsverbände angelegt, um die Glieder zu stabilisieren. Sara hob den sterilen Verband am Bein an und sah bleichen Knochen. Das Becken fühlte sich unter ihren Händen instabil an. Das waren frische Wunden. Offensichtlich hatte das Auto sie von rechts getroffen und sie zusammenklappen lassen.
    Sara zog eine Schere aus der Tasche und schnitt damit die Bänder durch, die die Frau auf der Bahre fixierten. Dabei erklärte sie: » Anna, ich werde Sie jetzt auf den Rücken drehen.« Sie stützte Hals und Schultern der Frau, während Mary sich um das Becken kümmerte. » Wir lassen Ihre Beine gebeugt, aber wir müssen …«
    » Nein-nein-nein!«, flehte die Frau. » Bitte nicht! Bitte nicht!« Sie arbeiteten weiter, und ihr Mund öffnete sich weit. Ihre Schreie jagten Sara einen Schauer über den Rücken. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so etwas Entsetzliches gehört. » Nein!«, schrie die Frau, und ihre Stimme überschlug sich. » Nein! Bitte! Neeiiin!«
    Sie fing an, heftig zu zucken. Sofort beugte Sara sich über die Bahre und drückte Annas Körper darauf, damit sie nicht auf den Boden fiel. Sie hörte die Frau bei jeder Zuckung ächzen, denn jede Bewegung stach ihr wie ein Messer in die Flanke. » Fünf Milligramm Ativan«, befahl sie und hoffte, damit den Anfall unter Kontrolle zu bringen. » Bleiben Sie bei mir, Anna«, bat sie die Frau. » Bleiben Sie einfach bei mir.«
    Doch Saras Worte halfen nichts. Die Frau hatte das Bewusstsein verloren, aufgrund des Anfalls oder vor Schmerz. Obwohl das Medikament schon längst wirken musste, krampften noch immer die Muskeln im ganzen Körper, die Beine zuckten, der Kopf wackelte hin und her.
    » Die Bahre ist da«, verkündete Mary und winkte den Röntgentechniker in den Raum. Zu Sara sagte sie: » Ich kümmere mich um Sanderson und den OP .«
    Der Röntgentechniker legte sich die Hand auf die Brust. » Macon.«
    » Sara«, erwiderte sie. » Ich helfe Ihnen.«
    Er gab ihr die zusätzliche Bleischürze und bereitete dann die Maschine vor. Sara behielt die Hand auf Annas Kopf und strich ihr die dunklen Haare zurück. Die Muskeln der Frau zuckten noch immer, als es Sara und Macon mit vereinten Kräften gelang, sie auf den Rücken zu drehen. Die Beine ließen sie gebeugt, um die Schmerzen unter Kontrolle zu halten. Sara bemerkte, dass Will Trent noch immer im Raum war, und sagte zu ihm: » Sie müssen raus, während wir das tun.«
    Sara half Macon bei den Röntgenaufnahmen, und beide bewegten sich, so schnell sie konnten. Sie hoffte inständig, dass die Patientin nicht aufwachte und wieder anfing zu schreien. Noch immer hatte sie das Geräusch von Annas Schreien in den Ohren, fast wie die eines Tiers in der Falle. Allein dieses Geräusch ließ sie vermuten, die Frau wisse, dass sie im Sterben lag. So schrie man nur, wenn man jede Hoffnung aufgegeben hatte.
    Macon half Sara, die Frau wieder auf die Seite zu drehen, und ging dann, um die Filme zu entwickeln. Sara zog ihre Handschuhe aus und kniete sich neben die Bahre. Sie berührte Annas Gesicht, strich ihr über die Wange. » Tut mir leid, dass ich Sie gestoßen habe«, sagte sie – nicht zu Anna, sondern zu Will Trent. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass er am Fußende der Bahre stand und auf die Beine der Frau, ihre Fußsohlen hinunterstarrte. Er hatte die Zähne fest zusammengebissen, aber sie wusste nicht, ob aus Angst oder Entsetzen oder beidem.
    Er sagte: » Wir haben beide unsere Arbeit zu tun.«
    » Trotzdem.«
    Er streckte die Hand aus und strich behutsam über Annas rechte Fußsohle. Wahrscheinlich hielt er sie für die einzige Stelle, die er berühren konnte, ohne ihr Schmerzen zu verursachen. Sara war von dieser Geste überrascht.

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