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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Jo hätte zu mir kommen und mir sagen können, daß sie Lon Chaney junior mit der Queen hätte tanzen sehen, in ihrer Rolle als Werwölfe von London, und ich hätte wahrscheinlich gesagt: »Hm-hmm, Schatz, das ist schön«, und weiter Korrektur gelesen.
    »Quatsch«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. »Das ist völliger Quatsch.«
    Aber es war kein Quatsch. Wenn ich wirklich in der Arbeit an einem Buch vertieft war, fiel ich gewissermaßen aus der Welt heraus; ich las nicht einmal Zeitung, abgesehen von einem raschen Blick über die Sportseite. Also ja - es war möglich, daß Jo mir erzählt hatte, wie sie nach einer Komiteesitzung in Lewiston oder Freeport einen Abstecher ins TR gemacht hatte, es war möglich, daß sie mir gesagt hatte, wie sie einen alten Freund getroffen hatte - vielleicht einen anderen Teilnehmer des Fotoseminars, das sie 1991 in Bates besucht
hatte -, und es war möglich, daß sie mir erzählt hatte, sie hätten zusammen auf unserer Veranda zu Abend gegessen, während die Sonne unterging. Es war möglich, daß sie mir das alles erzählt und ich kein Wort von dem registriert hatte, was sie mir sagte.
    Und bildete ich mir wirklich ein, ich würde etwas aus Bonnie Amudson herausbekommen, auf das ich mich verlassen konnte? Sie war Jos Freundin gewesen, nicht meine, und Bonnie mochte der Überzeugung sein, daß die Schweigepflicht für Geheimnisse, die meine Frau ihr anvertraut hatte, noch nicht abgelaufen war.
    Die Quintessenz war ebenso einfach wie brutal: Jo war seit vier Jahren tot. Es war das beste, sie zu lieben und alle quälenden Fragen ruhen zu lassen. Ich nahm einen letzten Schluck Wasser direkt aus dem Hahn, ließ ihn im Mund kreisen und spuckte ihn aus.
     
    Als ich in die Küche kam und die Kaffeemaschine auf sieben Uhr morgens einstellte, sah ich eine neue Botschaft in einem neuen Kreis von Magneten. Sie lautete
    blaue rose lügnerin ha ha
    Ich betrachtete sie eine Sekunde oder zwei und fragte mich, was sie dort hinterlassen hatte und warum.
    Fragte mich, ob es stimmte.
    Ich streckte eine Hand aus und schob die Buchstaben weit auseinander. Dann ging ich ins Bett.

Kapitel 13
    Mit acht Jahren bekam ich die Masern, und ich war sehr krank. »Ich dachte, du würdest sterben«, sagte mein Vater einmal zu mir, und er neigte nicht zu Übertreibungen. Er erzählte mir, wie er und meine Mutter mich eines Nachts in eine Wanne mit kaltem Wasser legten, beide mindestens halb überzeugt, daß mir von dem Schock das Herz stehenbleiben würde, aber beide völlig überzeugt, daß ich vor ihren Augen verbrennen würde, wenn sie nicht irgendwas unternahmen. Ich hatte angefangen, in einer lauten, monotonen Stimme von den strahlenden Gestalten zu sprechen, die ich in dem Zimmer sah - Engel, die gekommen waren, um mich fortzutragen, davon war meine verängstigte Mutter überzeugt -, und als mein Vater mir vor dem kalten Bad das letzte Mal die Temperatur maß, sagte er, hätte die Quecksilbersäule des alten Fieberthermometers von Johnson & Johnson einundvierzig Komma eins gezeigt. Danach, sagte er, hatte er nicht mehr gewagt, zu messen.
    An strahlende Gestalten kann ich mich nicht erinnern, aber an eine seltsame Zeitspanne, die mir im Rückblick vorkommt, als wäre ich im Korridor eines Spiegelkabinetts gewesen, wo mehrere Filme gleichzeitig gezeigt wurden. Die Welt wurde elastisch, wölbte sich an Stellen, wo sie sich zuvor noch nie gewölbt hatte, und waberte an Stellen, wo sie stets solide gewesen war. Menschen - die meisten anscheinend unmöglich groß - schossen mit scherenähnlichen Trickfilmbeinen in mein Zimmer hinein und wieder hinaus. Ihre Worte hallten von donnernden gleichzeitigen Echos. Jemand schüttelte ein paar Babyschuhe vor meinem Gesicht. Ich glaube mich zu entsinnen, wie mein Bruder Siddy die Hand ins Hemd schob und mit den Achseln wiederholt Furzgeräusche erzeugte. Die logische Abfolge der Ereignisse brach zusammen. Alles geschah in Segmenten, unheimliche Würstchen auf einer giftigen Schnur.

    Bis zu dem Sommer meiner Rückkehr nach Sara Lacht hatte ich in der Zwischenzeit die üblichen Krankheiten, Infektionen und körperlichen Gebrechen, aber niemals wieder etwas wie diese Fieberepisode in meinem achten Lebensjahr. Ich rechnete auch nie damit - ich war vermutlich überzeugt davon, daß derartige Erlebnisse auf Kinder, Leute mit Malaria oder vielleicht noch jene beschränkt sind, die einen katastrophalen Nervenzusammenbruch erleiden. Aber in der Nacht vom siebten auf den achten Juli

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