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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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    »Nein«, sagte ich. »Das sind Sie nicht. Und ich auch nicht. Aber ich habe sie sehr geliebt und werde versuchen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Wahrscheinlich bedeutet es nichts, und außerdem - was könnte ich sonst tun? Danke für das Essen.«
    »Gern geschehen.« Mattie sah so sehr aus, als müßte sie weinen, daß ich ihre Hand noch einmal nahm und den Handrücken küßte.
    »Ich komme mir wie eine Närrin vor.«
    »Sie sind keine Närrin«, sagte ich.
    Ich gab ihr noch einen Kuß, dann fuhr ich los. Und das war meine Verabredung, die erste in vier Jahren.
     
    Auf der Heimfahrt dachte ich an ein altes Sprichwort darüber, daß man einen anderen Menschen nie durch und durch kennen kann. Es ist einfach, das als Lippenbekenntnis abzulegen, aber ein Schock - so schrecklich und unerwartet wie Turbulenzen auf einem bis dahin ruhigen Flug -, wenn man herausfindet, daß es buchstäblich auf das eigene Leben zutrifft. Ich erinnerte mich an unseren Besuch bei der Gynäkologin, nachdem wir fast zwei Jahre erfolglos versucht hatten, ein Baby zu bekommen. Die Ärztin, der mein Spermiogramm vorlag, hatte uns gesagt, daß ich eine geringe Spermienzahl hatte - nicht katastrophal gering, aber niedrig genug als Erklärung dafür, daß Jo nicht schwanger wurde.
    »Wenn Sie ein Kind wollen, werden Sie wahrscheinlich ohne besondere Maßnahmen eines bekommen«, hatte die Ärztin gesagt. »Wahrscheinlichkeit und Zeit sind noch auf Ihrer
Seite. Es könnte morgen passieren oder in vier Jahren. Werden Sie je ein Haus voller Kinder haben? Wahrscheinlich nicht. Aber Sie könnten zwei bekommen, und mit ziemlicher Sicherheit eins, wenn Sie weiter die Sache machen, durch die man sie bekommt.« Sie hatte gegrinst. »Vergessen Sie nicht, in der Reise besteht das Vergnügen.«
    Vergnügen hatten wir eine Menge, ganz klar, Bunters Glöckchen hatte oft geläutet, aber es hatte kein Baby gegeben. Dann war Johanna gestorben, als sie an einem heißen Tag über den Parkplatz eines Einkaufszentrums gelaufen war, und eins von den Dingen in ihrer Tasche war ein Heimschwangerschaftstest gewesen, von dem sie mir nichts gesagt hatte. Ebensowenig hatte sie mir gesagt, daß sie zwei Plastikeulen gekauft hatte, um zu verhindern, daß Krähen auf die Veranda am See scheißen.
    Was hatte sie mir sonst noch nicht gesagt?
    »Hör auf«, murmelte ich. »Um Himmels willen hör auf, darüber nachzudenken.«
    Aber ich konnte nicht.
     
    Als ich nach Sara zurückkam, bildeten die Obst- und Gemüsemagneten am Kühlschrank wieder einen Kreis. Drei Buchstaben befanden sich in der Mitte:
    Ich schob das ›u‹ nach oben, wo es hingehörte, was ›gut‹ ergab. Und was genau bedeutete das? »Ich könnte Spekulationen anstellen, würde aber vorziehen, es nicht zu tun«, sagte ich zu dem leeren Haus. Ich betrachtete Bunter den Elch, als könnte ich das Glöckchen um seinen mottenzerfressenen Hals zum Klingeln zwingen. Da es nicht klingelte, machte ich meine beiden neuen Magnabets auf und brachte sie an der Kühlschranktür an. Dann ging ich in den Nordflügel, zog mich aus und putzte mir die Zähne.
    Als ich vor dem Spiegel meine Zähne zu einem schaumigen Zeichentrickfilmlächeln fletschte, überlegte ich mir, ob ich
Ward Hankins morgen noch einmal anrufen sollte. Ich konnte ihm sagen, daß meine Suche nach den scheuen Plastikeulen vom November 1993 auf den Juli 1994 verlegt worden war. Welche Termine hatte Jo in diesem Monat in ihren Kalender eingetragen? Welche Entschuldigungen für ihre Abwesenheit von Derry? Und wenn ich mit Ward fertig war, konnte ich mir Jos Freundin Bonnie Amudson vorknöpfen und sie fragen, was im letzten Sommer ihres Lebens mit Jo los gewesen war.
    Warum läßt du sie nicht in Frieden ruhen? Das war die UFO-Stimme. Was könnte es dir nützen, etwas anderes zu tun? Angenommen, sie hat nach einer ihrer Komiteesitzungen einen Abstecher ins TR gemacht, vielleicht einfach aus einer Laune heraus, hat einen alten Freund getroffen und ihn zum Abendessen mit ins Haus genommen? Nur zum Abendessen.
    Und mir kein Wort davon gesagt? fragte ich die UFO-Stimme, spuckte einen Mundvoll Zahnpasta aus und gurgelte mit kaltem Wasser. Niemals ein einziges Wort?
    Woher weißt du, daß sie es nicht getan hat? gab die Stimme zurück, und ich erstarrte in der Bewegung, als ich die Zahnpasta in den Medizinschrank zurücklegen wollte. Da hatte die UFO-Stimme einen Nerv getroffen. Im Juli 1994 war ich bis über beide Ohren mit Von ganz oben beschäftigt gewesen.

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