Sara
richtig?«
Keine Antwort. Im Lichte all dessen, was später kam, finde ich das erwähnenswert - ich bekam keine Antwort. Ich spürte nicht, wie später, daß ich nicht allein in einem Zimmer war, das leer zu sein schien.
Ich trank den Champagner, stellte das Glas auf das Cola-Tablett zurück und füllte das andere. Ich nahm es mit zu dem Mac und setzte mich hin, wo Johanna gesessen hätte, wenn es den allseits beliebten Gott nicht gegeben hätte. Kein Weinen und Heulen, aber Tränen brannten in meinen Augen. Auf dem Monitor leuchteten folgende Worte auf:
heute war nicht so schlecht, nahm sie an. Sie lief durch das Gras zum Auto und lachte, als sie das weiße Blatt Papier unter der Windschutzscheibe sah. Cam Delancey, der sich weder entmutigen ließ, noch ein Nein als Antwort akzeptierte, hatte sie wieder zu einer seiner donnerstagabendlichen Weinproben eingeladen. Sie nahm das Papier und wollte es gerade zerreißen, überlegte es sich aber anders und steckte es statt dessen in die Gesäßtasche ihrer Jeans.
»Kein neuer Absatz«, sagte ich, »im Anschluß weiter.« Dann tippte ich die Zeile ein, die ich im Kopf hatte, seit ich aufgestanden war, um den Champagner zu holen. Da draußen wartete eine ganze Welt; Cam Delanceys Weinprobe war als Startplatz so gut wie jeder andere.
Ich hielt inne und betrachtete den kleinen blinkenden Cursor. Die Tränen brannten noch in meinen Augenwinkeln, aber ich wiederhole, daß ich keinen kalten Luftzug um die Knöchel spürte, keine geisterhaften Finger im Nacken. Ich drückte zweimal RETURN. Ich klickte auf ZENTRIEREN. Ich tippte ›Ende‹ unter die letzte Textzeile, dann prostete ich mit dem Glas Champagner, das Jo gehört hätte, dem Bildschirm zu.
»Auf dich, Baby«, sagte ich. »Ich wünsch’ mir, du wärst hier. Du fehlst mir schrecklich.« Beim letzten Wort bebte meine Stimme ein wenig, brach aber nicht. Ich trank den Taittinger, speicherte meine letzte Zeile, kopierte den ganzen Kram auf Disketten und machte ein Backup davon. Und abgesehen von Notizen, Einkaufslisten und Schecks habe ich danach vier Jahre lang nichts mehr geschrieben.
Kapitel 3
Mein Verleger wußte es nicht, meine Lektorin Debra Weinstock wußte es nicht, mein Agent Harold Oblowski wußte es nicht. Frank Arlen wußte es auch nicht, obwohl ich mehr als einmal versucht war, es ihm zu sagen. Laß mich dein Bruder sein. Jos wegen, wenn schon nicht deinetwegen , hatte er an dem Tag zu mir gesagt, als er zu seiner Druckerei und seinem überwiegend einsamen Leben in der Stadt Sanford im südlichen Maine zurückgekehrt war. Ich hatte nie damit gerechnet, daß ich darauf zurückkommen würde, und ich tat es auch nicht - nicht in der elementaren Form eines Hilferufs, die er wahrscheinlich gemeint hatte -, aber ich rief ihn etwa alle zwei Wochen an. Männergespräche, Sie wissen schon - Wie geht’s, Ganz gut, arschkalt draußen, Ja, hier auch, Willst du mit nach Boston, wenn ich Karten für die Bruins kriege, Vielleicht nächstes Jahr, ziemlich viel zu tun momentan, Ja, ich weiß, wie das ist, bis dann, Mikey, Okay, Frank, sieh zu, daß dir die Eier nicht abfrieren . Männergespräche.
Ich bin ziemlich sicher, daß er mich ein- oder zweimal gefragt hat, ob ich an einem neuen Buch arbeite, und ich glaube, ich habe gesagt -
Ach, Scheiß drauf - das ist eine Lüge, okay? Die mir so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß ich sie mir inzwischen sogar selbst erzähle. Er hat tatsächlich gefragt, und ich habe immer gesagt, klar, ich arbeite an einem neuen Buch, und es läuft gut, echt gut. Mehr als einmal war ich versucht, ihm zu sagen: Ich kann keine zwei Absätze schreiben, ohne in eine völlige geistige und körperliche Totenstarre zu verfallen - mein Herzschlag verdoppelt und verdreifacht sich, ich werde kurzatmig und fange an zu keuchen, meine Augen fühlen sich an, als würden sie aus den Höhlen quellen und auf meinen Wangen baumeln. Ich komme mir vor wie ein Klaustrophober in einem sinkenden Unterseeboot. So läuft es, nett, daß du fragst , aber ich habe es nie getan. Ich bitte nicht um Hilfe. Ich kann nicht um Hilfe bitten. Ich glaube, das sagte ich Ihnen bereits.
Von meinem zugegebenermaßen voreingenommenen Standpunkt haben erfolgreiche Romanciers - selbst mäßig erfolgreiche Romanciers - das große Los gezogen in den kreativen Künsten. Es stimmt, die Leute kaufen mehr CDs als Bücher, gehen öfter ins Kino und sehen viel mehr fern. Aber die Zeitspanne der Produktivität ist bei Romanciers
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