Sara
Agent mäßig nervös an - für gewöhnlich lieferte ich ihm mein neuestes Meisterwerk im Januar, und nun war der Februar schon halb vorbei. Sie würden die Herstellung im Schnellverfahren durchziehen müssen, wenn sie den diesjährigen Mike Noonan noch rechtzeitig zum alljährlichen weihnachtlichen Kaufrausch auf dem Markt haben wollten. War alles in Ordnung?
Das war meine erste Chance zu sagen, daß alles eine Landmeile davon entfernt war, in Ordnung zu sein, aber Mr. Harold Oblowski, 225 Park Avenue, war nicht der Typ Mann, zu dem man so etwas sagte. Er war ein ausgezeichneter Agent, in der Verlagsbranche geliebt und verabscheut zugleich (manchmal von denselben Leuten zur selben Zeit), aber er reagierte nicht gut auf Neuigkeiten aus den dunklen und ölverschmierten Etagen, wo die Ware tatsächlich produziert wird. Er wäre ausgeflippt und ins nächste Flugzeug nach Derry gestiegen, um mir eine kreative Mund-zu-Mund-Beatmung zuteil werden zu lassen, und eisern in seiner Entschlossenheit gewesen, erst wieder zurückzufliegen, wenn er mich aus meiner Lähmung gerissen hatte. Nein, ich wollte Harold genau da haben, wo er war, in seinem Büro im achtunddreißigsten Stock mit der affenscharfen Aussicht auf die East Side.
Ich sagte, was für ein Zufall, Harold, du rufst just an dem Tag an, wo ich das neue fertig hab’, herrjemine, ist das nicht toll, ich schick’s dir per Federal Express, du hast es morgen. Harold versicherte mir feierlich, daß das kein Zufall sei, daß er über telepathische Kräfte verfüge, wenn es um seine Autoren ging. Dann gratulierte er mir und legte auf. Zwei Stunden später bekam ich sein Bukett - in jeder Hinsicht so übertrieben und seidig wie seine Jimmy-Hollywood-Halstücher.
Als ich die Blumen ins Eßzimmer gestellt hatte, das ich seit Jos Tod selten betrat, ging ich zur Fidelity Union. Ich benutzte
meinen Schlüssel, der Geschäftsführer der Bank seinen, und wenig später war ich mit dem Manuskript von Von ganz oben auf dem Weg zu Fed Ex. Ich nahm das jüngste Buch, weil es ganz vorne in dem Schließfach lag, das ist alles. Es wurde im November veröffentlicht, gerade noch rechtzeitig für das Weihnachtsgeschäft. Ich widmete es dem Andenken an meine verstorbene, geliebte Frau Johanna. Es erreichte Platz elf der Times -Bestsellerliste, und alle gingen glücklich nach Hause. Sogar ich. Weil es schließlich besser werden würde, oder nicht? Niemand hatte eine ewige Schreibblockade, nicht wahr (nun ja, mit der möglichen Ausnahme von Harper Lee)? Ich mußte nur tun, was die Tänzerin dem Erzbischof riet, nämlich mich entspannen. Und Gott sei Dank war ich ein kluges Eichhörnchen gewesen und hatte meinen Vorrat an Nüssen angelegt.
Im folgenden Jahr, als ich mit Gefährliche Neigung zum Büro von Federal Express fuhr, war ich immer noch optimistisch. Das hatte ich im Herbst 1991 geschrieben, und es war eins von Jos Lieblingsbüchern gewesen. Im März 1997, als ich mit Darcys Bewunderer durch einen nassen Schneesturm fuhr, hatte der Optimismus schon sichtlich nachgelassen, aber wenn die Leute mich fragten, wie es ging (»In letzter Zeit gute Bücher geschrieben?« sind die existentiellen Worte, in die die meisten diese Frage kleiden), antwortete ich immer noch, klar, in letzter Zeit eine Menge gute Bücher geschrieben, sie sprudeln aus mir heraus wie Scheiße aus einem Kuharsch.
Als Harold Darcy gelesen und verkündet hatte, daß es bis dato mein bestes Buch sei, ein Bestseller, aber auch ernst , kam ich zögernd auf den Gedanken zu sprechen, ein Jahr freizunehmen. Er reagierte sofort mit der Frage, die ich mehr als alle anderen haßte: Ging es mir gut? Klar, sagte ich ihm, bestens, munter wie ein Fisch im Wasser, ich dächte nur daran, ein bißchen kürzer zu treten.
Es folgte eines dieser patentierten Harold-Oblowski-Schweigen, die vermitteln sollten, daß du ein Riesenarschloch warst, aber weil Harold dich so sehr mochte, versuchte er es dir auf die nettestmögliche Weise zu sagen. Das ist ein wunderbarer Trick, aber ich habe ihn schon vor sechs Jahren durchschaut.
Eigentlich war es Jo, die ihn durchschaut hatte. »Er heuchelt nur Mitgefühl«, sagte sie. »Eigentlich ist er wie ein Cop in einem dieser alten Filme aus der Schwarzen Serie, der den Mund hält, damit man selbst weiterplappert und am Ende alles gesteht.«
Diesmal hielt ich den Mund - nahm den Hörer nur vom rechten ans linke Ohr und neigte meinen Bürostuhl etwas weiter nach hinten. Dabei fiel mein Blick auf das
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