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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kurze, rauchende Waffe in seiner Hand sehen. Sie hatte einen Drahtkolben. Sein Gesicht war eine einförmige blaue Fläche, lediglich von zwei riesigen klaffenden Augenöffnungen unterbrochen - eine Skimaske.
    Über uns stieß der Donner ein langgezogenes Brüllen des Erwachens aus.
    George Kennedy ging ohne Eile auf das Auto zu, trat glühende Kohlen aus dem Weg, kümmerte sich nicht um den dunkelroten Fleck, der sich auf dem Oberschenkel des rechten Hosenbeins ausbreitete, streckte die Hand hinter sich und beeilte sich nicht einmal, als der Killer ins Wageninnere zurückwich und »Los, los los!« zu dem Fahrer brüllte, der ebenfalls eine blaue Maske trug, George beeilte sich nicht, nein, kein bißchen, und noch ehe ich die Pistole in seiner Hand sah, wußte ich, warum er seine absurde Pa-Kettle-Jacke nicht ausgezogen hatte, nicht einmal beim Frisbeespielen.
    Das blaue Auto (es entpuppte sich als ein Ford Baujahr 1987, der einer Mrs. Sonia Belliveau aus Auburn gehörte und am Tag zuvor als gestohlen gemeldet worden war) war an den Straßenrand gefahren und nie ganz zum Stillstand gekommen. Nun wurde Gas gegeben, brauner Staub wirbelte unter den Hinterreifen auf, das Auto schlingerte und stieß Matties Briefkasten von seiner Stange, so daß er auf die Straße flog.
    George beeilte sich immer noch nicht. Er führte die Hände zusammen, hielt die Waffe mit der rechten und stützte sie mit der linken. Er gab fünf gezielte Schüsse ab. Die ersten beiden trafen den Kofferraum - ich sah die Löcher. Der dritte zertrümmerte die Heckscheibe des fliehenden Ford, und ich
hörte jemanden einen Schmerzensschrei ausstoßen. Wo der vierte landete, weiß ich nicht. Der fünfte zerfetzte den linken Hinterreifen. Der Ford schmierte nach dieser Seite weg. Der Fahrer hätte ihn fast noch wieder unter Kontrolle bekommen, doch dann verlor er sie völlig. Das Auto fuhr dreißig Meter unterhalb von Matties Wohnwagen in den Straßengraben und kippte um. Ein Wuschhh! ertönte, und das Heck wurde von Flammen eingehüllt. Einer von Georges Schüssen mußte den Benzintank getroffen haben. Der Killer versuchte, durch das Beifahrerfenster zu klettern.
    »Ki … bring Ki … weg …« Eine heisere, flüsternde Stimme.
    Mattie kroch auf mich zu. Eine Seite ihres Kopfes - die rechte - sah unversehrt aus, aber die linke Seite war eine Ruine. Ein verstörtes blaues Auge sah zwischen blutigen Haarsträhnen heraus. Splitter des Schädelknochens übersäten ihre sonnengebräunte Schulter wie Porzellanscherben. Wie gern würde ich Ihnen erzählen, daß ich mich an nichts davon erinnern kann, wie froh wäre ich, jemand anders würde Ihnen erzählen, daß Michael Noonan starb, bevor er diesen Anblick sehen mußte, aber ich kann es nicht. Weh ist in Kreuzworträtseln das Wort dafür, ein Wort mit drei Buchstaben, das große Trauer ausdrückt.
    »Ki … Mike, hol Ki …«
    Ich kniete mich hin und legte die Arme um sie. Sie wehrte sich gegen mich. Sie war jung und kräftig, und obwohl graue Hirnmasse aus dem Loch in ihrem Schädel quoll, wehrte sie sich, rief nach ihrer Tochter, wollte zu ihr und sie beschützen und in Sicherheit bringen.
    »Mattie, schon gut«, sagte ich. Unten in der Baptistenkirche, am anderen Ende der Zone, in der ich mich befand, sangen sie ›Blessed Assurance, Jesus is Mine‹ … aber ihre Augen waren größtenteils so leer wie das Auge, das mich aus dem verfilzten, blutigen Haar ansah. »Mattie, hör auf, sei ruhig, alles wird gut.«
    »Ki … hol Ki … laß sie nicht …«
    »Sie werden ihr nichts tun, Mattie, ich verspreche es dir.«
    Sie drängte sich an mich, schlüpfrig wie ein Fisch, schrie den Namen ihrer Tochter und streckte die blutigen Hände
zum Wohnwagen aus. Die rosa Shorts und das Top waren dunkelrot geworden. Blut spritzte auf das Gras, als sie wie wild um sich schlug und an mir zog. Bergab ertönte eine kehlige Explosion, als der Tank des Fords hochging. Schwarzer Rauch stieg zum schwarzen Himmel empor. Donner grollte lang und laut, als wollte der Himmel sagen: Du willst Lärm? Ja? Ich geb dir Lärm .
    »Sagen Sie, daß Mattie nichts passiert ist, Mike!« rief John mit bebender Stimme. »Oh, um Gottes willen, sagen Sie, daß sie -«
    Er ließ sich neben mir auf die Knie nieder und verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Er streckte die Hand nach mir aus, packte mich an der Schulter und riß mir fast das halbe Hemd herunter, als er den Kampf verlor, bei Bewußtsein zu bleiben, und neben Mattie zu

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