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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zu der Stelle, wohin sie zeigt, und ich sehe einen Anflug von Schuldgefühlen in seinem Gesicht. Er weiß, was er tut, das ist das Schreckliche - tief im Inneren weiß er genau, was er hier in Halo Bay tut, wo die Straße aufhört. Er weiß es, und er hat Angst, jemand könnte ihn dabei beobachten. Aber er sieht nichts.
    Oder doch? Einen Moment blicken seine Augen groß und zweifelnd, als würde er doch etwas sehen - möglicherweise einen tanzenden Luftwirbel. Oder spürt er mich? Ist es das? Spürt er einen vorübergehenden kalten Luftzug in all dieser Hitze? Einer, der sich wie Hände anfühlt, die ihn aufhalten würden, wenn sie nur Substanz besäßen? Dann wendet er sich ab; dann watet er neben dem kurzen Steg der Deans ins Wasser.

    Fred! schreie ich. Um Himmels willen, sieh sie dir an! Glaubst du, deine Frau hat sie zufällig in ein weißes Seidenkleid gesteckt? Glaubst du, so stellt sich jemand ein Kleid zum Spielen vor?
    Daddy, warum gehen wir ins Wasser? fragt sie.
    Damit wir von dem Feuer wegkommen, Zuckerpfläumchen.
    Daddy, ich kann nicht schwimmen!
    Das mußt du auch nicht, antwortet er, und wie es mir dabei kalt über den Rücken läuft! Denn es ist keine Lüge - sie muß nicht schwimmen, weder jetzt noch irgendwann später. Immerhin wird Freds Methode barmherziger sein als die von Normal Auster, wenn Normal an der Reihe ist - barmherziger als die quietschende Handpumpe, die Liter eiskalten Wassers.
    Ihr weißes Kleid schwebt um sie herum wie eine Lilie. Ihre roten Strümpfe schimmern im Wasser. Sie umklammert seinen Nacken fest, und nun sind sie zwischen den fliehenden Eistauchern; die Eistaucher schlagen mit ihren mächtigen Schwingen auf das Wasser, wühlen Gischt auf der Oberfläche auf und betrachten Mann und Kind mit ihren verstörten roten Augen. Rauch verdunkelt die Luft, der Himmel ist verschwunden. Ich stolpere hinter ihnen her, wate - ich kann das kalte Wasser spüren, obwohl ich nicht plätschere und kein Kielwasser erzeuge. Ost- und Nordufer des Sees stehen mittlerweile in Flammen - eine brennende Sichel umgibt uns, während Fred Dean mit seiner Tochter tiefer ins Wasser watet und sie wie zu einem Taufritual trägt. Und immer noch redet er sich ein, daß er versucht, sie zu retten, nur versucht, sie zu retten, genau wie Hilda sich den Rest ihres Lebens einreden wird, daß das Kind zur Hütte zurückgegangen ist, um ein Spielzeug zu holen, daß es nicht absichtlich zurückgelassen wurde, in ihrem weißen Kleid und den roten Strümpfen, damit ihr Vater sie findet, der einmal etwas Unerhörtes getan hat. Dies ist die Vergangenheit, dies ist das Land Früher, und hier werden die Sünden der Väter an den Kindern gerächt, bis in die siebte Generation, die wir noch nicht haben.
    Er geht tiefer mit ihr ins Wasser, und sie fängt an zu schreien. Ihre Schreie verschmelzen mit denen der Eistaucher, bis er das Geräusch mit einem Kuß auf ihren entsetzten Mund zum Schweigen bringt. »Ich liebe dich, Daddy liebt sein Zuckerpfläumchen«, sagt er
und senkt sie herab. Demnach soll es eine Taufe durch Untertauchen werden, aber am Ufer singt kein Chor ›Shall We Gather at the River‹ und niemand ruft Halleluja! und er läßt sie nicht wieder auftauchen. Sie leistet heftige Gegenwehr inmitten der weißen Blüte ihres Opferkleids, und nach einem Augenblick erträgt er es nicht mehr, sie anzusehen; er schaut statt dessen über den See, nach Westen, wo das Feuer nicht hingekommen ist (und niemals hinkommen wird), nach Westen, wo der Himmel noch blau ist. Asche wirbelt um ihn herum wie schwarzer Regen, und die Tränen quellen ihm aus den Augen, und während sie wie wild unter seinen Händen zappelt und versucht, sich aus seinem Würgegriff zu befreien, sagt er sich: Es war ein Unfall, nur ein schrecklicher Unfall, ich habe sie mit in den See genommen, weil ich nirgendwo anders hingehen konnte , der einzige Ausweg, und sie ist in Panik geraten, sie hat angefangen, sich zu wehren, sie war ganz naß und schlüpfrig, und ich verlor sie aus dem Griff, und dann konnte ich sie gar nicht mehr festhalten und dann -
    Ich vergesse, daß ich ein Geist bin. Ich schreie: »Kia! Halt durch, Ki!« und tauche. Ich bin bei ihr, sehe ihr entsetztes Gesicht, die hervorquellenden Augen, die Rosenknospe ihres Mundes, aus dem eine silberne Linie von Luftbläschen zur Oberfläche steigt, wo Fred bis zum Hals im Wasser steht und sie nach unten drückt, während er sich immer wieder sagt, daß er versucht hat, sie zu retten, es war

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