Sara
See.
Alle! rief die Stimme wieder. Alle, Sugar!
Natürlich - mit weniger als allen würde sie sich nicht zufriedengeben. Vorher würde es keine letzte Ruhe für Sara Lacht geben.
»Ich helfe dir, deinen Frieden zu finden«, sagte ich. »Das verspreche ich dir.«
Der letzte Rest des Wassers lief ab … aber da war immer noch der See, der See war immer noch da, falls ich es mir anders überlegte. Ich ging aus dem Bad und sah wieder nach Ki. Sie hatte sich nicht bewegt, das Gefühl, daß Sara bei mir war, war verschwunden, Bunters Glöckchen schwieg … und dennoch fühlte ich mich unbehaglich und wollte sie nicht allein lassen. Aber das mußte ich, wenn ich mein Werk zu Ende führen wollte, und ich war gut beraten, nicht zu zögern.
County und State Cops würden früher oder später kommen, Sturm hin oder her, umgestürzte Bäume hin oder her.
Ja, aber …
Ich ging in den Flur und sah mich nervös um. Donner hallte, aber er hatte etwas von seiner Dringlichkeit verloren. Ebenso der Wind. Nicht nachgelassen hatte dagegen das Gefühl, daß mich etwas beobachtete, etwas, das nicht Sara war. Ich blieb noch einen oder zwei Augenblicke stehen, wo ich war, und versuchte mir einzureden, daß es sich nur um das Zischeln meiner überreizten Nerven handelte, dann ging ich durch den Flur zum Eingang.
Ich machte die Tür zur Veranda auf … dann sah ich mich wieder eingehend um, als würde ich damit rechnen, daß etwas oder jemand sich hinter dem gegenüberliegenden Ende des Regals versteckte. Möglicherweise eine gespenstische Gestalt. Etwas, das immer noch seinen Staubfänger wollte. Aber ich war die einzige verbliebene gespenstische Gestalt, jedenfalls in diesem Teil der Welt, und die einzigen Bewegungen, die ich sah, waren die Schatten des Regens, der an den Fenstern hinabfloß.
Es regnete immer noch so stark, daß ich erneut durchnäßt wurde, als ich von der Veranda zur Einfahrt ging, aber ich achtete nicht darauf. Ich war gerade dabeigewesen, wie ein kleines Mädchen ertränkt worden war, wäre vor nicht allzu langer Zeit beinahe selbst ertrunken, und der Regen würde mich nicht von dem abhalten, was ich tun mußte. Ich nahm den abgebrochenen Ast, der das Dach meines Autos eingedrückt hatte, warf ihn beiseite und machte die Hintertür des Chevy auf.
Die Sachen, die ich bei Slips ’ n Greens gekauft hatte, lagen noch auf dem Rücksitz, nach wie vor in der Jutetasche, die mir Lila Proulx gegeben hatte. Pflanzkelle und Gartenmesser waren zu sehen, aber das dritte befand sich in einer Plastiktüte. Möchten Sie eine spezielle Tüte? hatte Lila mich gefragt. Vorsehen ist besser als nachsehen . Und später, als ich aufbrechen wollte, hatte sie von Kennys Hund Blueberry gesprochen, der Möwen bis zum Umfallen jagte, und herzlich gelacht. Aber ihre Augen hatten nicht gelacht. Vielleicht kann man daran
die Marsianer von den Erdlingen unterscheiden - die Marsianer können nie mit den Augen lachen.
Ich sah das Geschenk von Rommie und George auf dem Vordersitz liegen: die Stenomaske, die ich zuerst für Devores Sauerstoffmaske gehalten hatte. Da meldeten sich die Jungs im Keller zu Wort - zumindest murmelten sie -, und ich beugte mich über den Sitz und nahm die Maske an ihrem Gurt hoch, ohne daß ich die geringste Ahnung gehabt hätte, warum ich das tat. Ich ließ sie in die Tragetasche fallen, schlug die Autotür zu und ging die Stufen der Eisenbahnschwellen zum See hinunter. Unterwegs machte ich noch eine Pause und duckte mich unter die Veranda, wo wir immer ein paar Werkzeuge aufbewahrt hatten. Eine Spitzhacke fand ich nicht, aber ich schnappte mir einen Spaten, der ganz so aussah, als könnte man ein Grab damit ausheben. Dann folgte ich, zum letztenmal, wie ich annahm, dem Weg meines Traumes zur Straße hinunter. Ich brauchte Jo nicht, damit sie mir die Stelle zeigte; die Grüne Lady hatte die ganze Zeit darauf gedeutet. Selbst wenn sie es nicht getan und Sara Tidwell nicht immer noch zum Himmel gestunken hätte, glaube ich, hätte ich es gewußt. Ich glaube, mein eigenes gequältes Herz hätte mich hingeführt.
Ein Mann stand zwischen mir und der Stelle, wo die graue Stirn aus Felsgestein den Weg bewachte, und als ich auf der letzten Eisenbahnschwelle stehenblieb, sprach er mich mit einer krächzenden Stimme an, die ich nur zu gut kannte.
»Schau an, Hurenbock, wo ist Ihre Hure?«
Er stand im strömenden Regen auf der Straße , aber seine Holzfällerkleidung - grüne Flanellhosen, kariertes Baumwollhemd - und
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