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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gesagt, und Mann, wenn das nicht stimmte: Im hellen Glanz der Laterne sahen sie aus wie Vögel, die in klare Plastikfolie eingeschweißt worden und darin erstickt waren. Ihre Augen waren helle Trauringe um schwarze Pupillen herum. Ihre Plastikfedern waren im dunkelgrünen Farbton von Kiefernnadeln bemalt, die Bäuche in einer schmutzigen orange-weißen Schattierung. Ich kroch über die schmatzenden, wackelnden Paletten darauf zu, während das Licht der Laterne zwischen ihnen schwankte, und versuchte mich nicht zu fragen, ob dieser Junge hinter mir war und mich kriechend verfolgte. Als ich bei den Eulen ankam, hob ich, ohne nachzudenken, den Kopf und stieß gegen die Isolierung unter dem Arbeitszimmerboden. Klopf einmal für ja, zweimal für nein, du Arschloch , dachte ich.
    Ich hakte die Finger in die Plastikhülle der Eulen und zog sie zu mir. Ich wollte hier raus. Das Gefühl des Wassers, das direkt unter mir floß, war seltsam und unangenehm. Ebenso der Geruch von Feuer, der inzwischen trotz der Feuchtigkeit stärker
geworden zu sein schien. Wenn nun das Atelier brannte? Wenn Sara es irgendwie angezündet hatte? Ich würde hier unten gegrillt werden, während das schlammige Hochwasser des Sturms mir die Beine und den Bauch durchnäßte.
    Ich sah, daß eine der Eulen auf einem Plastiksockel stand - damit du sie besser auf die Veranda stellen kannst, um die Krähen zu verscheuchen, meine Liebe -, aber der Sockel der anderen fehlte. Ich wich zur Falltür zurück, hielt die Laterne in einer Hand, zog den Plastiksack mit den Eulen in der andern hinter mir her und zuckte jedesmal zusammen, wenn über meinem Kopf das Bombardement des Donners ertönte. Ich war nicht weit gekommen, als das feuchte Band riß, das die Plastiktüte hielt. Die Eule ohne Sockel kippte langsam in meine Richtung, ihre schwarz-goldenen Augen sahen verzückt in meine.
    Ein Wirbel in der Luft. Ein schwacher, tröstlicher Hauch von Red. Ich zog die Eule an den hornähnlichen Büscheln heraus, die aus ihrer Stirn wuchsen, und drehte sie um. Wo sie einst mit dem Plastiksockel verbunden gewesen war, sah ich nur zwei Zapfen mit einem Hohlraum dazwischen. In dem Loch befand sich ein kleines Blechkästchen, das ich wiedererkannte, noch ehe ich in den Bauch der Eule griff und es herauszog. Ich leuchtete mit der Laterne auf die Oberseite und wußte, was ich sehen würde: JOS KLEINIGKEITEN, in einer altmodischen goldfarbenen Schrift. Sie hatte das Kästchen irgendwo in einem Antiquitätengeschäft gefunden.
    Ich betrachtete es mit klopfendem Herzen. Über mir grollte Donner. Die Falltür stand offen, aber ich hatte vergessen, daß ich nach oben wollte. Ich hatte alles vergessen, außer dem Blechkästchen, das ich in Händen hielt, etwa so groß wie eine Zigarrenkiste, aber nicht ganz so tief. Ich spreizte die Hand über dem Deckel und zog ihn ab.
    Verschiedene zusammengefaltete Papiere lagen auf zwei Stenoblocks, die spiralgebundenen, auf denen ich meine Notizen und Listen von Figuren mache. Die beiden wurden mit Gummiband zusammengehalten. Zuoberst lag ein glänzendes schwarzes Quadrat. Ich merkte erst, als ich es aufhob und dicht an die Laterne hielt, daß es sich um ein Negativ handelte.

    Geisterhaft, spiegelverkehrt und leicht orange sah ich Jo in ihrem grauen Bikini. Sie stand mit den Händen hinter dem Kopf auf dem schwimmenden Floß.
    »Jo«, sagte ich und konnte nichts mehr sagen. Tränen schnürten mir den Hals zu. Ich behielt das Negativ einen Moment in der Hand, weil ich den Kontakt nicht verlieren wollte, dann legte ich es zu den Papieren und Stenoblocks in das Kästchen zurück. Diese Sachen waren der Grund gewesen, weshalb sie im Juli 1994 Sara einen Besuch abgestattet hatte; um alles zusammenzutragen und so gut wie möglich zu verstecken. Sie hatte die Eulen von der Veranda geholt (Frank hatte die Tür dort draußen schlagen hören) und hierhergebracht. Ich konnte fast vor mir sehen, wie sie den Sockel einer Eule abbrach, das Blechkästchen in den Plastikbauch schob und sie nach hier unten schleppte, während ihr Bruder Marlboros rauchte und die Schwingungen spürte. Die schlechten Schwingungen. Ich bezweifelte, daß ich je alle Gründe erfahren würde, warum sie es getan hatte, oder in welcher geistigen Verfassung sie gewesen war … aber sie hatte mit ziemlicher Sicherheit geglaubt, daß ich mit der Zeit den Weg hier runter finden würde. Warum hätte sie sonst das Negativ hier deponiert?
    Bei den losen Papieren handelte es sich überwiegend

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