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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Bücherleser fangen Gespräche meistens mit dem Wetter an, wie alle anderen auch, aber als Faustregel haben sie darüber hinaus noch etwas anderes zu sagen.
    Die Blondine mit den pinkfarbenen Oberteilen und den schwarzen Shorts hieß Adria Bundy. Wir unterhielten uns über Bücher, während wir Seite an Seite immer weiter nirgendwohin strampelten, und es kam der Punkt, an dem ich sie an einem oder zwei Vormittagen beim Gewichtheben überwachte. Dieses Überwachen hat etwas seltsam Intimes. Ich nehme an, die liegende Haltung des Gewichthebenden hat etwas damit zu tun (besonders wenn es sich um eine Frau handelt), aber das ist nicht alles. Überwiegend ist es der Abhängigkeitsfaktor. Obwohl es kaum jemals zu dem Punkt
kommt, legt der Gewichthebende sein Leben in die Hände des Überwachers. Und irgendwann im Winter 1996 fingen die Blicke an, wenn sie auf der Bank lag und ich über ihr stand und in ihr nach oben gerichtetes Gesicht sah. Diese Blicke, die ein wenig zu lange dauern.
    Kelli war um die Dreißig. Adria vielleicht etwas jünger. Kelli war geschieden, Adria unverheiratet. Beide waren nicht mehr minderjährig, und ich glaube, beide wären mit Freuden bereit gewesen, auf einer provisorischen Basis mit mir ins Bett zu gehen. Eine Art Testlauf. Aber in Kellis Fall suchte ich mir ein anderes Restaurant, um zu Mittag zu essen, und als der CVJM mir einen Gutschein für ein kostenloses Probetraining schickte, nahm ich das Angebot an und ging einfach nicht mehr ins Nu You. Ich erinnere mich, daß ich Adria Bundy eines Tages, etwa sechs Monate nach dem Wechsel, auf der Straße begegnete, und obwohl ich hallo sagte, achtete ich darauf, daß ich ihren verwirrten, leicht gekränkten Blick nicht sah.
    Auf eine rein körperliche Weise wollte ich sie beide (ich glaube mich sogar an einen Traum zu erinnern, in dem ich sie beide hatte , zur selben Zeit im selben Bett), und doch wollte ich keine von beiden. Teils lag das an meiner Unfähigkeit zu schreiben - mein Leben war so schon verkorkst genug, schönen Dank, auch ohne zusätzliche Komplikationen. Teils lag es an der Anstrengung, die erforderlich ist, um herauszufinden, ob die Frau, die deine Blicke erwidert, sich für dich interessiert oder nicht für dein prallvolles Bankkonto.
    Aber am meisten lag es daran, denke ich, daß ich einfach noch zuviel Jo in meinem Kopf und meinem Herzen hatte. Auch nach vier Jahren war kein Platz für jemand anders. Es war ein Kummer wie Cholesterin, und wenn Sie das komisch oder verschroben finden, seien Sie froh.
    »Was ist mit Freunden?« fragte Frank und fing endlich an, seinen Kuchen zu essen. »Du hast Freunde, mit denen du dich triffst, oder?«
    »Ja«, sagte ich. »Jede Menge Freunde.« Das war eine Lüge, aber ich hatte jede Menge Kreuzworträtsel, jede Menge Bücher zu lesen, und jede Menge Filme, die ich mir nachts auf Video ansah; ich konnte die FBI-Warnung über das gesetzwidrige
Überspielen praktisch auswendig aufsagen. Was richtige Menschen anging, rief ich nur zwei Leute an, als ich mich darauf vorbereitete, Derry zu verlassen, meinen Arzt und meinen Zahnarzt, und der Großteil der Post, die ich in jenem Juni verschickte, bestand aus Karten mit meiner neuen Adresse an Zeitschriften wie Harper’s und den National Geographic .
    »Frank«, sagte ich, »du hörst dich an wie eine jüdische Mutter.«
    »In deiner Gegenwart fühle ich mich manchmal wie eine jüdische Mutter«, sagte er. »Eine, die an die heilsame Wirkung von gebackenen Kartoffeln statt Matze bällchen glaubt. Du siehst so gut aus wie lange nicht mehr, hast endlich etwas zugenommen, glaube ich -«
    »Zuviel.«
    »Quatsch, du hast ausgesehen wie Ichabod Crane, als du zu Weihnachten vorbeigekommen bist. Außerdem hast du ein bißchen Sonne getankt.«
    »Ich bin viel spazierengegangen.«
    »Du siehst jedenfalls besser aus … nur deine Augen nicht. Manchmal hast du diesen Ausdruck in den Augen, und immer wenn ich ihn sehe, mache ich mir Sorgen um dich. Ich denke, Jo wäre froh, daß sich jemand Sorgen um dich macht.«
    »Was ist das für ein Ausdruck?« fragte ich.
    »Der Tausend-Meter-Blick. Willst du die Wahrheit hören? Du siehst wie jemand aus, der etwas entdeckt hat und nicht mehr davon loskommt.«
     
    Ich verließ Derry um fünfzehn Uhr dreißig, aß in Rumford zu Mittag und fuhr langsam durch die Hügel des westlichen Maine, während die Sonne sich dem Horizont näherte. Ich hatte meine Abfahrts- und Ankunftszeit sorgfältig geplant, wenn auch nicht ganz

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