Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
hätte schon letztes Jahr mit Ihnen darüber reden müssen, aber da Sie das Haus nicht genutzt haben, hab’ ich ’ s schleifen lassen. Kommen Sie dafür auch auf?«

    »Ja, bis zehntausend. Wenn’s mehr kostet, rufen Sie mich an.«
    »Wenn es mehr als zehn kostet, werde ich lächelnd ein Schwein küssen.«
    »Versuchen Sie, alles erledigt zu haben, bis ich eintreffe, okay?«
    »Klaro. Sie wollen Ihre Ruhe, ich weiß … aber Ihnen muß klar sein, daß Sie die nicht gleich bekommen werden. Wir waren schockiert, als sie so jung von uns gegangen ist; wir alle. Schockiert und traurig. Sie war ein Schatz.«
    »Danke, Bill.« Ich spürte, wie mir Tränen in den Augen brannten. Kummer ist wie ein betrunkener Hausgast, der immer wieder auf eine letzte Umarmung zum Abschied wiederkommt. »Danke, daß Sie das sagen.«
    »Sie werden Ihren Anteil Karottenkuchen bekommen, Kumpel.« Er lachte, aber ein wenig zweifelnd, als fürchtete er, eine Ungebührlichkeit zu begehen.
    »Ich kann eine Menge Karottenkuchen essen«, sagte ich, »und wenn die Leute es übertreiben, nun - hat Kenny Auster immer noch diesen großen irischen Wolfshund?«
    »Ja, der würde Kuchen fressen, bis er platzt!« rief Bill erheitert. Er kicherte, bis er hustete. Ich wartete und mußte selbst ein wenig lächeln. »Blueberry nennt er diesen Hund, weiß der Teufel, warum. Ein regelrechter Schlenz!« Ich nehme an, daß er den Hund meinte, nicht sein Herrchen. Kenny Auster, nicht viel mehr als einen Meter fünfundfünfzig groß und schlank gebaut, war das Gegenteil von einem Schlenz, diesem für Maine typischen Ausdruck, der unbeholfen, linkisch und tölpelhaft bedeutet.
    Plötzlich wurde mir klar, daß mir diese Leute fehlten - Bill und Brenda und Buddy Jellison und Kenny Auster und alle anderen, die das ganze Jahr am See lebten. Ich vermißte sogar Blueberry, den irischen Wolfshund, der überall mit erhobenem Kopf hintrottete, als hätte er nur ein halbes Hirn drin, und dauernd lange Speichelfäden aus den Mundwinkeln hängen hatte.
    »Außerdem muß ich runter, die Winterschäden beseitigen«, sagte Bill. Er hörte sich verlegen an. »Dieses Jahr ist es nicht so
schlimm - der letzte schwere Sturm hat in unserer Gegend Gott sei Dank nur Schnee gebracht -, aber es gibt trotzdem eine ganze Menge Zeug, wozu ich noch nicht gekommen bin. Hätte ich längst erledigen müssen. Ist keine Entschuldigung, daß Sie das Haus nicht nutzen. Schließlich hab’ ich Ihre Schecks eingelöst.« Es hatte etwas Amüsantes, diesem bärbeißigen alten Furz zuzuhören, wie er sich Asche aufs Haupt streute; Jo hätte mit den Füßen gestrampelt und gekichert, da bin ich ganz sicher.
    »Wenn bis zum vierten Juli alles fertig und funktionstüchtig ist, bin ich zufrieden, Bill.«
    »Dann werden Sie so zufrieden wie eine Muschel im Watt sein. Versprochen!« Bill hörte sich selbst glücklich wie eine Muschel im Watt an, und ich war froh. »Woll’n Sie runterkommen und ein Buch am See schreiben, wie in alten Zeiten? Nicht, daß die letzten beiden nicht gut gewesen wären, meine Frau konnte das letzte nicht aus der Hand legen, aber -«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, und das war die Wahrheit. Und dann kam mir eine Idee. »Bill, würden Sie mir einen Gefallen tun, bevor Sie die Einfahrt fegen und Brenda Meserve von der Kette lassen?«
    »Mit Vergnügen, wenn ich kann«, sagte er, also verriet ich ihm, was ich wollte.
     
    Vier Tage später bekam ich ein kleines Päckchen mit diesem lakonischen Absender: DEAN/GEN DELIV/TR 90 (DARK SCORE). Ich machte es auf und schüttelte zwanzig Fotos heraus, die mit einer dieser kleinen Einwegkameras gemacht worden waren.
    Bill hatte den Film mit verschiedenen Ansichten des Hauses verknipst, von denen die meisten diese feine Aura der Verwahrlosung vermittelten, die ein Haus bekommt, wenn es leersteht … auch ein Haus, das gewartet wird (um Bills Wort zu gebrauchen), bekommt mit der Zeit dieses Aussehen.
    Diese würdigte ich kaum eines Blickes. Ich wollte nur die ersten vier, und die legte ich in einer Reihe auf den Küchentisch, wo das Sonnenlicht direkt auf sie fiel. Bill hatte sie oben vom Anfang der Einfahrt gemacht und dabei die Wegwerfkamera auf die verwinkelte Masse von Sara Lacht hinab gerichtet.
Ich konnte das Moos sehen, das nicht nur auf den Balken des Hauptgebäudes wuchs, sondern auch auf den Balken des Nord- und Südflügels. Ich konnte das Durcheinander heruntergefallener Zweige und die Häufchen von Kiefernnadeln in der Einfahrt sehen.

Weitere Kostenlose Bücher