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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wollte - ich drehte mich im Kreis.
    Dabei fiel mir Sara Tidwell und der Text eines ihrer Songs ein. Es existierten keine Platten von ihr, aber ich besaß Blind Lemon Jeffersons Version dieses speziellen Stücks. Eine Strophe ging so:
    It ain’t nuthin but a barn-dance sugar
It ain’t nuthin but a round-and-round
Let me kiss you on your sweet lips sugar
You the good thing that I found.
    Ich liebte diesen Song und hatte mich stets gefragt, wie er aus dem Mund einer Frau klingen würde statt aus dem dieses alten Troubadours mit der Whiskeystimme. Aus Sara Tidwells Mund. Ich wette, sie hatte eine tolle Stimme. Und, Mann, ich wette, sie hatte den Swing drauf.
    Ich war wieder an meinem Haus angelangt. Ich schaute mich um, sah niemanden in der unmittelbaren Umgebung (obwohl ich inzwischen das erste Wasserskiboot auf dem See brummen hören konnte), zog mich bis auf die Unterhose aus und schwamm zum Floß hinaus. Ich kletterte nicht hinauf, ließ mich nur daneben treiben, hielt mich mit einer Hand an der Leiter fest und strampelte träge mit den Füßen. Das war durchaus angenehm, aber was sollte ich mit dem Rest des Tages anfangen?
    Ich beschloß, meinen Arbeitsplatz im ersten Stock aufzuräumen. Wenn das geschafft war, würde ich mich vielleicht in Jos Atelier umsehen. Das heißt, wenn ich nicht den Mut verlor.
    Ich schwamm zurück, paddelte entspannt dahin und hielt den Kopf teils in, teils über dem Wasser, das wie kühle Seide an meinem Körper entlangfloß. Ich kam mir vor wie ein Seeotter. Ich hatte das Ufer fast erreicht, als ich eine Frau auf der Straße stehen sah, die mich beobachtete. Sie war so dünn wie die, die ich bei Warrington’s gesehen hatte … aber sie war grün. Grün und zeigte die Straße hoch nach Norden wie eine Dryade in einer alten Legende.
    Ich keuchte, schluckte Wasser und hustete es wieder aus. Ich stand im brusthohen Wasser und wischte mir die nassen Augen ab. Dann lachte ich (zugegeben, ein wenig zweifelnd). Die Frau war grün, weil sie eine Birke war, die ein Stück nördlich von der Stelle wuchs, wo die Stufen meiner Eisenbahnschwellen an der Straße aufhörten. Und auch ohne Wasser in den Augen hatte es etwas Unheimliches, wie die Blätter um
den elfenbeinfarbenen und schwarzgemusterten Stamm herum beinahe ein Gesicht bildeten. Es war vollkommen windstill, daher war auch das Gesicht vollkommen still (so still, wie das Gesicht der Frau in schwarzen Shorts und Badeanzug gewesen war), aber an einem windigen Tag sah es bestimmt aus, als würde es lächeln oder die Stirn runzeln … oder vielleicht lachen. Dahinter wuchs eine kümmerliche Kiefer. Ein kahler Zweig zeigte nach Norden. Den hatte ich für einen dünnen Arm und eine knochige, deutende Hand gehalten.
    Es war nicht das erste Mal, daß ich mir selbst auf solche Weise Angst einjagte. Ich sehe mehr als andere, das ist alles. Wenn man genügend Geschichten geschrieben hat, sieht jeder Schatten auf dem Boden wie ein Fußabdruck aus, jede Linie im Sand wie eine geheime Nachricht. Was natürlich die Aufgabe nicht erleichterte, mir darüber klarzuwerden, was wirklich seltsam an Sara Lacht war und was nur seltsam wirkte, weil mein Verstand seltsam war.
    Ich sah mich um, stellte fest, daß ich diesen Abschnitt des Sees immer noch für mich allein hatte (wenn auch nicht mehr lange; das Bienensummen des ersten Motorboots hatte durch ein zweites und drittes Verstärkung bekommen), und zog die tropfnasse Unterhose aus. Ich wrang sie aus, legte sie auf Shorts und T-Shirt, ging nackt zu den Eisenbahnschwellen und hielt die Kleidungsstücke vor der Brust. Ich tat so, als wäre ich Bunter, der Lord Peter Wimsey Frühstück und die Morgenzeitung brachte. Als ich das Haus betrat, grinste ich wie ein Idiot.
     
    Im ersten Stock herrschte trotz der offenen Fenster eine drückende Hitze, und ich sah den Grund dafür, sobald ich die oberste Treppenstufe erreicht hatte. Jo und ich hatten beide hier oben Zimmer gehabt, sie links (nur ein kleiner Raum, eigentlich nur eine Kammer, aber mit dem Atelier im Norden des Hauses brauchte sie nicht mehr), ich rechts. Am anderen Ende des Flurs befand sich die Gitterschnauze der monströsen Klimaanlage, die wir in dem Jahr nach dem Hauskauf angeschafft hatten. Als ich sie sah, fiel mir auf, daß ich ihr charakteristisches Summen vermißt hatte, ohne daß es mir bewußt
geworden war. Ein Schild klebte daran, auf dem stand: Mr. Noonan: Kaputt. Bläst Heißluft herein, wenn man sie einschaltet & klingt voller

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