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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Handgelenken spüren. Ich fragte
mich, ob ich Devore hätte sagen können, daß er sich meine Telefonnummer in den Arsch stecken sollte, wenn ich nicht selbst ein paar Millionen auf der Bank gehabt hätte.
    Kampf der Titanen, Liebster , sagte Jo mit ihrer beherrschten Stimme. Und alles wegen einem Teenager in einem Wohnwagen. Sie hatte nicht einmal nennenswerte Brüste.
    Ich lachte laut auf. Kampf der Titanen? Kaum. Ein alter Räuberbaron der Jahrhundertwende hat einmal gesagt: »Heutzutage hält sich ein Mann mit einer Million für reich.« Dieselbe Meinung hätte Devore wahrscheinlich von mir, und von einem höheren Standpunkt betrachtet hatte er recht.
    Ein unnatürliches pulsierendes Farbenspiel erfüllte den ganzen westlichen Himmel. Das war das Finale.
    »Was sollte das alles?« fragte ich.
    Keine Antwort; nur ein Eistaucher rief über den See. Beklagte sich wahrscheinlich über den ungewohnten Lärm am Himmel.
    Ich stand auf, ging hinein und legte das Telefon wieder auf seine Ladestation, wobei mir klar wurde, daß ich damit rechnete, es würde wieder läuten und Devore würde anfangen, Klischees aus Filmen von sich zu geben: Wenn Sie mir in die Quere kommen, werde ich und Ich warne Sie, Freund, tun Sie nichts, was Sie später und Ich will Ihnen mal einen guten Rat geben, bevor Sie .
    Das Telefon läutete nicht. Ich kippte mir den Rest der Cola in den Hals, der verständlicherweise trocken war, und beschloß, ins Bett zu gehen. Wenigstens hatte ich nicht draußen auf der Veranda geweint und geheult; Devore hatte mich davor bewahrt. Auf eine unheimliche Weise war ich ihm dankbar.
    Ich ging ins Schlafzimmer im Nordflügel, zog mich aus und legte mich hin. Ich dachte an Kyra, das kleine Mädchen, und die Mutter, die ihre ältere Schwester sein konnte. Devore war sauer auf Mattie, soviel stand fest, und wenn ich schon eine finanzielle Unperson für ihn war, was mußte sie dann sein? Und über welche Reserven verfügte sie, wenn er gegen sie angetreten war? Das war im Grunde ein ziemlich unangenehmer Gedanke, und darüber schlief ich ein.

    Drei Stunden später stand ich auf, um die Dose Cola zu eliminieren, die ich törichterweise vor dem Zubettgehen gekippt hatte, und als ich vor der Schüssel stand und mit einem offenen Auge pißte, hörte ich das Schluchzen wieder. Ein Kind irgendwo in der Dunkelheit, einsam und verängstigt … Vielleicht tat es aber auch nur, als wäre es einsam und verängstigt.
    »Nicht«, sagte ich. Ich stand nackt vor der Kloschüssel und hatte Gänsehaut auf dem Rücken. »Bitte, fang nicht mit dieser Scheiße an, es ist grauenhaft.«
    Das Weinen klang ab wie zuvor, es schien sich zu entfernen, als würde etwas in einem Tunnel weggetragen. Ich ging wieder ins Bett, drehte mich auf die Seite und machte die Augen zu.
    »Es war ein Traum«, sagte ich. »Nur ein weiterer Manderley-Traum.«
    Ich wußte es besser, aber ich wußte auch, ich würde wieder einschlafen, und in dem Augenblick schien das am wichtigsten zu sein. Als ich eindöste, dachte ich mit einer Stimme, die ganz meine eigene war: Sie ist am Leben. Sara ist am Leben .
    Und dann wurde mir noch etwas klar: Sie gehörte mir. Ich hatte sie wieder für mich beansprucht. Zum Guten oder Bösen, ich war nach Hause gekommen.

Kapitel 9
    Am nächsten Morgen um neun Uhr füllte ich mir eine Feldflasche mit Grapefruitsaft und brach zu einem langen Spaziergang auf der Straße nach Süden auf. Der Tag war strahlend und schon sehr heiß. Darüber hinaus still - die Art von Stille, wie man sie, glaube ich, nur nach einem samstäglichen Feiertag findet, zu gleichen Teilen aus Heiligkeit und Kater zusammengesetzt. Ich konnte zwei oder drei Fischerboote weit draußen auf dem See sehen, aber kein einziges Motorboot brummte, keine Kinder, die kreischten und im Wasser planschten. Ich kam an einem halben Dutzend Ferienhäuser an den Hängen über mir vorbei, und obwohl sie um diese Jahreszeit wahrscheinlich alle bewohnt waren, sah ich als einzige Hinweise auf Leben nur Badeanzüge, die bei den Passendales über dem Verandageländer hingen, und auf dem kurzen Steg der Rimers ein neongrünes Seepferd, aus dem die Luft zur Hälfte entwichen war.
    Aber gehörte das kleine graue Haus der Passendales überhaupt noch den Passendales? Gehörte das lustige kreisrunde Sommerhaus der Batchelders mit seinem Cinemascope-Panoramafenster zum See und den Bergen dahinter noch den Batchelders? Natürlich konnte ich das unmöglich sagen. Vier Jahre können eine Menge

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