Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
Moment die Vibration zu spüren die uns beide durchfuhr. Ein dunkles Stöhnen drang aus seiner Kehle, als wir langsam zurück in die vielen Kissen sanken und nach Atem rangen. Ich brauchte eine Weile, bis mein Körper langsam wieder zu sich fand und die Muskeln sich wieder entspannten. Lionel rollte sich neben mich, strich mir übers Haar und küsste meinen Nacken. Er drehte mich zu sich und nahm mich vorsichtig in den Arm. Aus dem wilden Tier schien ein Schoßhund geworden zu sein. Für einen Moment genoss ich es, den sanften Lionel kennenzulernen, bis mir Martin ins Gedächtnis schoss. Wie ein vergifteter Pfeil traf es mich mitten in meiner Brust. Die Realität holte einen doch immer wieder ein.
Was habe ich nur getan?
Lionel streichelte mir sachte über meine Wange. Wie eine Muse betrachtete er mein Gesicht mit seinen blauen, kristallklaren Augen, die im schummrigen Licht glänzten, wie die Welle eines Ozeans.
„Denk nicht an ihn, er hat dich nicht verdient. Du bist jetzt mein. Von jetzt an bleibst du an meiner Seite.“
Entsetzt starrte ich ihn an. Meine Stimme versagte und ich krächzte: „Was soll der Blödsinn? Wie sollte ich bei einem Toten bleiben? Soll ich mit dir eine Familie gründen? Das ist doch lächerlich.“
Was für ein absurder Gedanke. Aber wer nimmt mich noch? Martin ist auch weg. Selbst er hat die Flucht ergriffen. Und Lionel? Wenn er ein Mensch wäre…
Aber er war ein Vampir, ein Wesen aus der Hölle. Ich musste es mir immer wieder vor Augen halten. Für ihn gab es nur das Überleben und in seinem Blut stand geschrieben, dass Mord und Totschlag keine Sünde waren. Für ihn zählte das Wort Gottes nicht. Aber gab es überhaupt einen Gott? Und wenn, wie konnte er all das hier zulassen? Bevor meine Gedanken zu weit abschweiften, sprang ich auf und holte meine Sachen.
„Ich muss los!“
Er rief mir hinter her: „Mir gefällt das alles auch nicht, aber es ist, wie es ist. Ich hab mich verändert. Ich weiß nicht was hier geschieht, aber ich habe mich verändert, seit ich dich kenne. Du hast mich verändert.“
Er sprach die Worte leise und doch bestimmt aus.
Nein, Du hast mich verändert!
Für einen Moment war ich nah dran zu glauben. Mein Verstand ließ jedoch nicht zu, dass ich mich in einem Märchen verlor und die Realität holte mich umgehend wieder ein. Während ich hektisch die Hose hochzog, rief ich ihm zu:„Nein, du hast dich nicht verändert, du unterdrückst nur das Tier in dir, bis du das nächste Mal ausrastest. Ich will und werde meine Seele nicht verkaufen. Ich werde nie so sein wie du. Und ich empfinde nichts für dich, du bist mir egal. Ich habe hier nur für einen Moment vergessen, was mir wichtig ist im Leben.“
„Was, verdammt noch mal, ist dir denn wichtig?“
Aufgebracht setzte er sich auf.
„Mein Leben. Mein Leben ist mir wichtig, soweit ich noch eines habe, Lionel.“
Er sprang nun auch aus dem Bett und sammelte seine Klamotten ein. Sein Gesicht war voller Zorn. In seinen Augen schimmerte die Nuance goldener Streifen und sie glühten in der Dunkelheit. Und wieder sah ich das Grauen in seinen Gesichtszügen, er konnte es nicht vor mir verbergen. Es war da. Es war ein Teil von ihm. Es würde immer da sein. Was auch zwischen uns auch geschah, es hatte nichts mit Gefühlen zu tun. Ich wollte Martin vergessen. Und ja, ich hatte mich in Lionels Bann ziehen lassen. Ich habe ihn benutzt, so wie er mich benutzte. Nicht mehr und nicht weniger. Und tief in mir hasste ich ihn. Er verkörperte alles, was unrecht war. Ein Teil von mir, fühlte sich zu ihm hingezogen, dagegen konnte ich mich nicht wehren, doch es war nur ein kleiner Teil meiner neuen dunklen Seite, die mich dazu verleitete. Lionel hob das alte Ölgemälde von der Wand und ein Tresor kam zum Vorschein. Ich versuchte zu beobachten, welchen Code er eingab, doch er positionierte seinen Rücken genau vor der kleinen Tastatur.
Mist, wenigstens das hätte mir vergönnt sein können.
Es piepte zweimal und die schwere Eisentüre schwang auf. Er griff mit der linken Hand hinein und holte einen dicken Umschlag heraus. Dann ging er zu seinem Sekretär hinüber, ließ sich auf dem Stuhl nieder, griff in ein aus Elfenbein geschnitztes Gefäß und holte einen vergoldeten Brieföffner hervor. Er schnitt bedächtig den Rand des Umschlags auf. Vorsichtig zog er einen Packen uralter und schon vergilbter Papiere heraus. Dann kam ein weiteres, kleineres Päckchen gefalteter, alter Pergamente zum Vorschein. Schweigend
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