Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
öffnete er das feine Leinenkördelchen und sagte mit ernster und unbewegter Miene: „Das hier ist eine Aufteilung auf die Städte. Nach der Schließung der Pforte, hat Christopher eine Liste angefertigt, damit wir uns im Notfall finden. Die Altvampire wurden über die Erde verteilt. Hier ist niedergelegt, wer in welchem Land und in welcher Stadt zu finden ist. Die Liste ist sehr alt, ich weiß nicht, ob sich alle anderen Altvampire an die Regeln gehalten haben. Wie wir an Richard sehen konnten, sind nicht mehr alle der Meinung, dass wir im Verborgenen weiter unter den Menschen leben sollten. Wir müssen nun herausfinden, wer noch an Ort und Stelle verweilt und wer seinen Prinzipien treu geblieben ist. Über weite Strecken ist es uns nicht möglich auf der Gedankenebene miteinander zu kommunizieren. Das bedeutet eine Menge Arbeit kommt auf uns zu.“
Andächtig schritt ich zu ihm, blieb vor ihm stehen und strich zaghaft über das vergilbte Papier. Die Schrift war verschnörkelt und die Tinte verblasst, doch allein der Anblick war regelrecht mystisch.
„Von meinem Vater…“ flüsterte ich ergriffen. Ein seltsames Gefühl der Verbundenheit zog sich durch meine Eingeweide. Es war der erste wirklich handfeste Beweis für seine Existenz.
„Es sind in jedem Land an die hundert Altvampire. Mal mehr, mal weniger, verteilt auf all die vielen Städte. Allerdings bin ich mir nicht mehr sicher, wie viele neue Vampire dazugekommen sind. Richard war sicherlich nicht untätig. Er wird sein Vorhaben über einen sehr langen Zeitraum geplant haben. Und da sich ihm eine Menge anderer Altvampire angeschlossen hat, müssen wir damit rechnen, dass uns eine Armee gegenüber steht.“
Ich schluckte. Das war doch nicht möglich. Wo sollten sie denn alle sein? Den Gedanken, Hunderte Vampire aus aller Welt hier in Köln zu haben, empfand ich nicht besonders prickelnd. Es wäre kaum auszudenken, wenn sie alle anfangen würden wieder zu jagen. Auf lange Sicht, hätte die Menschheit keine Chance. Andererseits, wo kamen die vielen Altvampire überhaupt her? Wenn die Hexen die Pforte in die andere Dimension geöffnet hatten und wieder versiegelt und nach Lionels Worten damals nur wenige entkommen sind, dann durfte es gar nicht mehr viele von ihnen geben. Der Gedanke machte mich stutzig.
„Hattest du nicht gesagt, ihr wäret vor vielen Jahren fast ausgerottet worden?“
Ich blickte ihn misstrauisch an.
„Ja, sind wir doch auch. Sei dir gewiss, dass es zum Zeitpunkt der Verbannung in jeder Stadt bis zu hunderttausend Vampire gab. Rechne das mal auf jedes Land aus.“
Erstaunt sprach ich mit mir selbst: „Doch so viele……“
„Ja, so viele.“
„Glaubst du allen Ernstes, dass Richard die letzten Jahre seelenruhig auf das Ende seiner Tage im stillen Kämmerlein gesessen und gewartet hat bis die Zeiger seiner Uhr sich immer weiter drehen? Er hat gegen unser Gesetz verstoßen, somit werden wir viele neue Jungvampire unter uns haben. Ich bin leider nicht ganz im Bilde, was auf uns zukommt.“
„Wie kann es sein, dass du nichts davon mitbekommen hast?“
„Sarah, demütige mich nicht weiter. Du weißt, was ich vorhatte. Ich war nicht besser als Richard. Ich stand immer auf zwei Seiten. Jeder von uns befindet sich auf dieser dünnen Schneide zwischen Vernunft und Gier. Ich wollte die Macht für mich allein, ja. Aber du hast dafür gesorgt, dass ich das richtige tue.“
„Ich?“
„Ach komm schon, du weißt, dass ich mich jeden Tag mehr und mehr verändere, seit ich dich aufgesucht habe. Ob es an deinem Erbe liegt oder an deinem eigenen Wesen, ich weiß es nicht. Aber es ist Fakt.“
Dann fing er an zu lachen: „Allerdings, …. Wenn ich mir das jetzt so bildlich vorstelle, wie die Jungvampire durch Köln jagen und ….?“
Mein Blick traf ihn wie ein Blitzschlag, seine Worte blieben ihm im Hals stecken. Er hauchte verlegen: „ Ein Scherz. Ein kleiner Scherz.“
Ich nickte kurz. Auf der einen Seite glaubte ich ihm das sogar, auf der anderen Seite musste ich immer damit rechnen, dass das Tier, das in ihm schlummerte, die Oberhand bekam.
„Lionel…. Wann hast du zum letzten Mal getrunken? Ich meine… menschliches Blut, das du selbst gejagt hast?“
Mir lief vor Ekel eine Gänsehaut über den Rücken. Was immer es ändern würde, diese Frage brannte mir schon lange unter der Haut und ich musste sie irgendwann stellen. Jetzt war genau der richtige Zeitpunkt.
Ich muss es wissen. Jetzt und hier.
Vielleicht wollte und
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