Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
wir wenigstens mal eben unsere Smartphone zücken und googeln.“
Ich griff in die Jackentasche, als Lionel mein Handgelenk festhielt.
„Du bist immer so verdammt schnell. Kann man nicht mal kurz überlegen und Luft holen?“
„Ich? Schnell? Das sagte der Richtige. Wer ist denn hier schneller als ein Blitz?“
Manchmal ging es mir wahnsinnig auf die Nerven, dass er so ein verdammt guter Klugscheißer und Besserwisser war. Vielleicht war es auch der Neid, der mich innerlich anfraß. Sein Wissen, dass er sich Jahrhunderte lang angeeignet hatte, ließ mich neben ihm wie ein naives Dummchen aussehen.
„Viel weiß ich auch nicht. Es gibt da allerdings eine Geschichte über einen Missionar, der nicht wirklich vom Erfolg gekrönt war. Er hat wohl so um 600 eine Basilika dort erbauen lassen. Später wurde an gleicher Stelle eine neue Kirche erbaut. Somit hatte Köln eine Krypta nahe dem Rhein gelegen. Ich glaube, dieser Missionar wurde sogar dort bestattet. Nach dem Krieg wurde die Kirche wieder neu aufgebaut. Mehr weiß ich auch nicht. Ich denke wir treten erst einmal ein und schauen uns dort um.“
Nach zehn Minuten standen wir vor der Türe von Sankt Kunibert. Die Zeichen, die durch die Strahlen der Sonne an der Wand der Kapelle abgezeichnet gewesen waren, ergaben ein fast identisches Muster, wie das, das sich auf der Kirchentüre befand. Es war fast schon unheimlich.
„Das ist ja ein Ding.“
Mary knuffte Lionel plötzlich in die Seite.
„Du bist ja richtig zu was zu gebrauchen.“
Lionel lächelte sie das erste Mal freundlich an. Das allerdings kam mir jetzt recht merkwürdig vor, schließlich waren Mary und Lionel bisher wie Feuer und Wasser. Seine liebevolle, menschenähnliche Art wurde mir langsam immer suspekter. Das war so gar nicht Lionels Art. Ich würde ihn auf alle Fälle beobachten. Wir öffneten die schwere Türe und betraten leise den kleinen Vorraum. Systematisch teilten wir uns auf und durchsuchten die komplette Kirche. Ich musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass Vampire wohl doch Gotteshäuser betreten konnten. In jedem Horrorfilm hieß es, man wäre an einem so heiligen Ort sicher vor ihnen. Entweder waren nicht alle Kirchen heilig oder es war ein Ammenmärchen. In die Kapelle war er einfach mal so hereinspaziert und nun hier. Als ich Lionel darauf ansprach, winkte er nur belustigt ab.
„Die Kirchen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Zu viel geschieht in der Neuzeit, was mit der Bibel und dem Wort Gottes nichts mehr gemein hat. Eure Gottesvertreter haben die Kirche selbst entweiht mit ihren menschlichen Sünden.“
Ich schritt den langen Gang zum Altar entlang, vorbei an den vielen Gebetsbänken und setzte mich in die erste Reihe. Lionel nahm neben mir Platz und beobachtete mich von der Seite. Ich spürte das erst Mal wieder, dass er mir etwas sagen wollte, irgendetwas war nicht in Ordnung. Ich konnte es fühlen. Ich wollte in ihn hineingreifen, doch er verschloss sich, und ich prallte an seiner Schutzmauer ab. Er legte seine Hand auf meine und atmete tief ein und aus.
„Sarah, wenn das alles hier vorbei ist, werde ich gehen. Sag jetzt bitte nichts. Du hast etwas in mir geweckt, etwas, dass längst verloren schien und dafür bin ich dir sehr dankbar. Die Bestie in mir kann ich jedoch nicht verleugnen. Sie ist ein Teil meiner selbst. Dich ständig dieser Gefahr auszusetzen, wäre egoistisch und vor allem dumm.“
Ich stand auf, ging auf den Altar zu, legte die Hände auf die schwere, graumelierte Marmorplatte und atmete tief durch. Er hatte Recht und ich wusste es. Für Sekunden hatte ich das Verlangen um mich zu schlagen und aus der Kirche Kleinholz zu machen. Nicht nur Wut, sondern Enttäuschung, Schmerz und Trauer vermischten sich miteinander und ich spürte, wie sich etwas in mir veränderte. Ein nie gekanntes, ohnmächtiges Gefühl übermannte mich und ich verlor die Beherrschung. Wie ein Stück trocknes Brennholz, das plötzlich Funken fing und zu einem großen Feuer explodierte, verschloss sich das sanfte, helle Licht in mir und pulsierte zu einem nicht gekannten schwarzen Ungetüm, das Besitz von mir ergriff und jegliche Vernunft für den Augenblick ausschaltete.
~Wehr dich dagegen~
Seine Worte drangen plötzlich ungefragt in meinen Geist, doch ich drängte ihn sofort wieder hinaus. Ich wollte die unaufhaltbare Wut fühlen, den grausamen Zorn entfachen. Er war so befriedigend, so befreiend.
„Lass nicht zu, dass diese Seite Besitz von dir ergreift, Sarah.“
Er
Weitere Kostenlose Bücher