Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
Kraft haben, wie wir sie in uns tragen. Nie die Fähigkeiten besitzen, nie die Schnelligkeit erleben und nie so frei von weltlichen Belangen sein.“
Ich starrte in seine goldenen, toten und nichtssagenden Pupillen. Das war nicht Lionel. Wer immer vor mir stand, er sah aus wie Lionel, er roch wie Lionel, aber es war nicht Lionel. Und dann schoss es mit wieder in Erinnerung.
Lass ihn von dir trinken.
Das allerdings würde noch zu einem Problem werden. Um genauer zu sein, ich saß mächtig in der Tinte. Ich schob Angst, Zweifel und Unwissenheit dennoch beiseite. Angriff war die beste Verteidigung. So machte ich einen schnellen Schritt auf ihn zu und schlug ihm mit aller Kraft auf den Brustkorb. Er taumelte einige Schritte zurück. Ein widerliches Grinsen zog über sein Gesicht.
„Ist das alles was du kannst? Oder hast du nach all dem was zwischen uns war, nicht den Mut, mich zu schlagen?“
„Du bist nicht Lionel, wer immer du bist, was immer du bist, du bist nicht Lionel.“
Die Vampire näherten sich langsam und auch Lionel kam erneut auf mich zu. Ich taumelte rückwärts bis zur Straße hoch. Meine Wut wurde stärker, geballter Hass blähte sich auf und nahm Besitz von meinen Eingeweiden. Ohne nachzudenken projizierte ich meine gesamte Kraft in meine Beine, steuerte auf Lionel zu und trat ihm mit gezielter Wucht in den Unterleib. Alles ging so blitzschnell, dass ich es selbst kaum glauben konnte. Ehe er begriff was geschah, wirbelte der Altvampire durch die Luft und flog in hohem Bogen auf den harten Asphalt.
Wow, da sind sie ja, meine neuen Kräfte.
Gundula stand wie ein kleines Kind unter dem Licht einer Laterne und klatschte: „ Bravo, bravo… eine fantastische, kleine Showeinlage.“
Richard fuhr sie an: „Halt den Mund, du dämliches Weib.“
Dann sprang er mit der Schnelligkeit eines aufkommenden Windzuges auf mich zu und ehe ich es registrieren konnte, traf mich sein Schlag mitten auf die linke Schläfe. Das hatte gesessen. Ich flog rückwärts die Straße entlang, scheuerte über den Asphalt und schlug mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne.
Verdammt, wer hat die dahin gestellt?
Benommen krallte ich mich an das kalte Eisen, während sich meine Augen wie von selbst für den Bruchteil einer Sekunde schlossen. Ich versuchte sie mit aller Kraft zu öffnen, was mir schließlich gelang, aber ich sah, dass Lionel bereits wieder auf den Beinen war und auf mich zu stürmte. Wenn nicht ein Wunder geschah, war das Spiel für mich verloren. Genauer betrachtet, war es verloren. Ich war die Maus und sie die Raubkatzen, die ihre Beute umhertrieben. Sie spielten mit mir und folgten ihrem Jagdinstinkt. Richard machte erneut einen Satz auf mich zu und packte mich am Nacken. Ich versuchte mich los zu reißen. Blind schlug ich um mich. Das Gefühl kam nur zögerlich in meine Glieder zurück, doch die Wut, die in mir kochte, spornte mich zu Höchstleistungen an und ich nahm alle Kraft, die mir noch übrig geblieben war, drehte mich blitzschnell, sodass ich ihm den Rücken zukehrte und zog den Ellenbogen mit aller Wucht nach hinten. Ich rammte ihn Richard genau zwischen die Rippen. Fast gleichzeitig ließ ich die Ferse rücklinks hochschnellen und traf ihn an seiner empfindlichsten Stelle. Er stöhnte auf und lockerte seinen stählernen Griff. Ich sprang nach vorne und prallte so stark gegen Lionel, der ebenfalls auf mich zustürmte, dass wir beide zu Boden stürzten. Merkwürdigerweise mischte sich keiner der anderen Vampire ein. Sie mussten sich ihrer Sache sehr sicher sein. Ich winkelte die Beine an und presste meine Knie auf Lionels Hals. Jetzt oder nie!
Vater, steh mir bei, lass deine Worte einen Sinn ergeben.
Da ich mit dem Rücken zur Meute auf Lionel kniete, musste ich die Gunst des Augenblicks nutzen. Und zwar so schnell, dass niemand mich daran hindern konnte und niemand mir dabei zusah. Ohne auf meine Blessuren zu achten, biss ich mir in meinen rechten Handballen. Das Blut rann warm an meinem Gelenk hinunter und ich presste die offene Wunde mit aller Gewalt auf Lionels Mund. Ich konnte fühlen, wie mein Lebenselixier in seinen Körper sickerte. Er wollte sich aufbäumen, doch mein Geruch und mein Geschmack betäubten im Nu seine Sinne. Er zuckte zusammen und seine Lippen umschlossen fest die Wunde. Seine Zunge war warm und weich. Ein seltsames Gefühl strömte durch meinen Körper. Das Band, das sonst so zart und dünn zwischen uns war, kam langsam zurück und schien nun fester und straffer zu
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