Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
grenzenlos. Sarah, ich liebe dich abgöttisch, aber das alles hier ist ne Nummer zu hoch für mich. Ich begreife das alles nicht. Das kann doch nur ein böser Traum sein. Ich komme überhaupt nicht mit, und versteh auch nichts mehr.“
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
„Erklär mir bitte noch einmal genau, was hier eigentlich gerade passiert.“
Sein Gesicht war verzerrt und die Verwirrung spiegelte sich immer noch in seinen Augen. Ich nickte. Auch auf die Gefahr hin, dass er endgültig aufstehen und mich verlassen würde. Ich weiß nicht wie viele Stunden wir zusammengekauert auf dem Sofa saßen, aber draußen ging langsam die Sonne unter. Einen Moment lang dachte ich an Mary. Ich hatte sie in all das mit hineingezogen. So viele Menschen die mir wichtig waren, brachte ich einfach in Gefahr. Ich sah Martin an, wollte nur noch in ihn hinein kriechen und ich mich verstecken. Dort ruhen und den warmen und sicheren Ort nie mehr verlassen. Ich trieb wie auf einem leeren Geisterschiff das vom Kurs abgekommen war, allein und zurückgelassen. Martin war in diesem Leben mein Anker gewesen, mein Kapitän auf hoher See, der mein Schiff sicher in den nächsten Hafen steuern wollte. Vielleicht sogar eines Tages in den Hafen der Ehe. Wenn es Tage gab, die mich in schwarzes Licht hüllten, war Martin derjenige, in dessen Armen ich lag und der mich stundenlang festhielt und mein inneres Schweigen ertrug. Die Bilder vom letzten Urlaub auf Mallorca liefen wie ein alter Kitschroman vor meinem geistigen Auge ab. Ich sah uns noch Hand in Hand an der Promenade entlang spazieren. Wir saßen küssend im Sonnenuntergang am Strand und blickten verträumt aufs Meer. Er hatte mich ganz fest in seinem Arm gehalten, mein Kopf lag sicher und ruhend auf seiner Schulter. All das war nun vorbei. Mein Leben hatte sich komplett verändert. Konnte er mir noch in die Augen sehen? Hatte er jetzt irgendwo tief in seiner Seele Angst vor mir? Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als er die Fragen stellte, die ich nicht beantworten konnte und die mir selbst Angst einjagte.
„Sarah, ich weiß nicht mal was du nun bist, wie ich mit dir umgehen soll? Du hast diesen Kerl mal eben gepackt, als wäre es nur ein Gasluftballon. Bist du noch ein Mensch? Oder fühlst du noch wie ein Mensch? Würden unsere Kinder etwa einiges Tages mit Reißzähnen auf die Welt kommen?“
Er drückte mich abrupt von sich.
„Oh Gott, es tut mir leid, ich brauch jetzt Zeit für mich, ich packe ein paar Sachen und fahre zu Adriano. Ich muss das alles erst mal verarbeiten. Ich kann hier nicht bleiben.“
In meinem Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzen. Ich wollte etwas sagen, doch meine Kehle war zugeschnürt. Der Versuch tief durchzuatmen war zwecklos. Ich verschluckte dunkle Wolken und wollte den Schmerz herausschreien, wollte mich mitteilen, dass ich nicht allein klar kommen würde und dass ich nicht weiss, wie ich all das ohne ihn durchstehen sollte, doch meine Stimmbänder versagten. Ich stand am Fenster. Die Hände auf den Rahmen gepresst, blickte ich dem davonbrausenden Lieferwagen hinterher und fiel weinend in mich zusammen. Eine Weile lag ich mit dem Gesicht auf dem Teppichboden, starrte wieder einmal die Fußleisten an und ließ meinem Schmerz freien Lauf. Gefangen von der Schwärze, die meine Seele wie eine Schraubzwinge in ihrer Gewalt hatte, zog sie mich immer tiefer in diesen dreckigen Schlund des Leidens und ließ mich von dieser dunklen Macht verführen, das Unaufhaltbare zuzulassen. Ich schwamm in einem Meer voller Wut und Hass und Enttäuschung. Ich ließ alles in mir los und folgte der bösen dunklen Seite in mir, die mich mit honigsüßer Stimme zu sich rief. Immer tiefer folgte ich dem zarten Gesäusel bis in mein tiefstes Inneres hinein. Wie sicher ich doch an diesem Ort war. Dieser bittersüße Geschmack des Unreinen, des wahren Bösen. Hier war ich gut aufgehoben. Hier spürte ich die Liebe nicht mehr, hier gab es keine Verlustängste und keine Abhängigkeiten. Hier gab es keinen Seelenschmerz. Hier gab es nur Macht und eine gewaltige Kraft. Ich spürte das unbändige Verlangen etwas Unreines zu tun. Rache, ich wollte Rache. Eine Stimme in meinem Kopf flüsterte leise und doch unüberhörbar: „Er hat dich verlassen, wer hat ihm das erlaubt? Die Rache ist dein. Niemand darf so mit dir umgehen.“
Erst das laute, sich wiederholende Klingeln aus der Küche, machte mir bewusst, dass ich immer noch zusammengekauert auf dem Teppich lag. Ich
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