Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
„Und was bist du?“
Erschrocken zuckte ich zusammen. Hatte er doch vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt, dass ich ein Mensch sei.
Ja, was bin ich? Er hat Recht. Bin ich nicht fast schon wie er?
„Meine Bilder haben dir doch gefallen, ich habe gefühlt, dass dein Körper Verlangen nach mir hat. Dass die Gier nach meinen Lippen dich förmlich auffrisst, Sarah…lass es zu…“ säuselte er und versuchte mich tiefer in seinen Bann zu ziehen. Gegen dieses Gefühl anzukämpfen, war wie kurz vor dem Orgasmus einfach aufzuhören. Fast unmöglich. Ich holte mir hektisch neue Bilder in meine Gedanken. Spontan fiel mir die Beerdigung meiner Großmutter ein. Das war makaber, aber einen besseren Schutz als Trauer gab es gegen Erotik wohl kaum.
Ich bin ein Monster, keine Frage.
Sichtlich gefasst, rief ich mit wieder starker Stimme:„Lionel, halt die Klappe, du bist ja nicht bei Trost. Ich begehre nur einen Mann. Und das ist Martin. Du verführst mich, indem du in meine Gedanken eindringst, mich manipulierst. Das ist kein Verlangen, das ist Zwang. Lass es ein für alle Male sein.“
Lionel zog die Augenbrauen hoch und lächelte: „ Mein Kleines, glaubst du das wirklich? Ich kann dich nicht mehr manipulieren. Du bist Christophers Tochter, du trägst seinen Geist. Alles was du zulässt, kommt aus deinem tiefen Inneren.“
Ich zuckte zusammen, starrte ihn an. Das wollte ich jetzt nun wirklich nicht hören: „Du spinnst ja völlig. Und nenn mich nicht Kleines. Ich bin nicht dein Kleines.“
Es war Zeit nach hause zu kommen. Ich wollte den Dreck des Tages von mir waschen und nur noch schlafen.
Aber was erwartet mich zuhause? Nichts.
Martin war weg und ich würde allein in meinem kalten, großen Bett liegen und mich furchtbar einsam fühlen. Aber alles war besser, als mir die perversen Fantasien eines uralten Vampirs anzusehen. Ich ließ den Motor an und forderte Lionel auf auszusteigen. Er zuckte mit den Schultern, schenkte mir noch ein imposantes Lächeln und verschwand wie ein Windstoß in der Dunkelheit. Als ich wenig später endlich meine Wohnung betrat, schmiss ich meine Klamotten sofort in die Waschmaschine, duschte mich heiß ab, legte mich auf mein Bett und streifte das feuchte Handtuch von mir. Ich starrte aus dem Fenster.
Da ist er ja schon wieder, dieser Mistkerl. Geh weg, ich will dich nicht sehen.
Ich seufzte und schlug mir das Kissen übers Gesicht. Warum hatte ich mir nie Vorhänge gekauft? Vielleicht wollte ich auch, dass er mich sah. Ich war ja nicht ganz bei Trost. Ich hatte Martin gerade verloren, ich war traurig. Ich hätte zumindest traurig zu sein. Doch meine Gefühle mischten sich immer wieder mit Gedanken an diesen widerlichen Altvampir.
Was geschieht hier nur mit mir?
Natürlich fehlte Martin mir. Um meinen Glauben an Martin zu bestärken, stand ich auf, holte mein Handy und lege mich wieder auf mein Bett. Mit voller Überzeugung schrieb ich Martin eine Mail, dass ich ihn lieben würde und er uns nicht so schnell aufgeben sollte. Doch wie lange ich auch wartete, mein Handy blieb still.
Kann er wirklich alles so wegwerfen? Oder braucht er einfach nur Zeit? Ist es so schwer mich zu lieben? Gerade jetzt, wo ich so anders bin? Wo ich ihn so sehr brauche?
Die Gedanken an Martin ließen mich nicht los. Es dauerte sehr lange, bis ich endlich in einen unruhigen Schaf fiel.
Kapitel 12
Das gelbe, warme Licht der aufgehenden Sonne, weckte mich unsanft. Schlaftrunken wühlte ich in meinem Kissen, blinzelte und vergrub mein Gesicht wieder in den weichen Federn. Ich wollte nicht aufstehen, wollte den Tag nicht begrüßen, wusste nicht wofür und warum. Die Stadt zu retten, war eigentlich die Aufgabe des Bürgermeisters oder der Bundeswehr und nicht meine. Widerwillen quälte ich mich schlussendlich doch aus dem Bett, schlich lustlos in die Küche und schmiss die Kaffeemaschine an. Sie begann sofort laut vor sich hin zu blubbern. Genervt sprang ich unter die Dusche und schlüpfte dann in ein paar bequeme Jeans. In der Küche, auf meinem Barhocker halb sitzend, halb hängend, rührte ich lustlos die Milch in meinem Kaffee zu Klumpen. Es klingelte an der Türe. Martin hatte einen Schlüssel, er konnte es nicht sein und Lionel würde nicht einfach so bei mir klingeln. Glaubte ich zumindest. Und ich erwartete keinen Besuch. Eine leise Vorsicht ließ mich in die Küchenschublade greifen und das alte Fleischmesser meines Großvaters herausholen. Er hatte es mir damals zu meiner Aussteuer dabei gelegt.
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