Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
und seine Stirn legte sich in Falten. Lionel ignorierte meine Frage und machte einen Schritt auf seinen Angreifer zu.
„Richard, du weist nicht, was du da redest. Du hättest nicht her kommen sollen.“
Richard blickte mich und Lionel verwirrt an. Dann folgte ein hämisches Grinsen: „Von was für Kräften spricht sie denn da? Das Amulett hat keine Kräfte. Es ist ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ihr wollt mich reinlegen. Das funktioniert aber leider nicht.“
Angst kroch meine Beine hoch, doch ehe sie meinen Verstand erreichte, schien etwa anderes in mir zu erwachen. Etwas, dass die Angst wie eine fremde Haut von mir streifte. Es kam aus meinem Inneren und lenkte mich für einen kurzen Moment ab. Mehr noch irritiere mich die Aussage Richards über Lionels Vorhaben. Ich wusste immer, das irgendetwas faul an dem Knaben war, aber dass er mich gleich opfern wollte und vor meinem Tod nicht zurückschreckte, begann meine Sinne zu vernebeln und meine dunkle Seite zu wecken. In mir brach ein Vulkan aus, heiße, glühende Lava zog durch meine Glieder und das Rauschen meines Blutes zischte in meinen Ohren. Ich hörte noch Richard sagen:
„Und jetzt verzieh dich, Lionel, und räum das Feld. Die Kleine gehört mir.“
Da hatte das dunkle Etwas in mir an Macht gewonnen. Niemand nannte mich Kleine und ehe dieser widerwärtige Mistkerl reagieren konnte, überschwemmte mich meine neue, noch befremdliche, innere Kraft und ich schlug mit allen Kräften in seinen Solarplexus. Nach einem dumpfen Geräusch und einem darauf folgenden Knacken flog Richard gegen die nächste Wand und schlug mit dem Hinterkopf gegen die weiße Raufasertapete. Mit großen, aufgerissenen Augen blickte er erschrocken abwechselnd Lionel und mich an. Lionel knurrte: „Du solltest verschwinden Richard, das hier ist mein Revier.“
Ich brüllte: „Verschwindet alle beide von hier und lasst euch nie wieder blicken. Du auch, Lionel.“
Richard fletschte die Zähne: „Woher hat sie diese Kraft? Lionel, was hast du getan? Zum Vampir hast du sie nicht gemacht, ich kann es riechen. Was ist das? Wollt ihr mich vorführen?“
Im nächsten Moment sprang er auf seine Beine, machte einen Satz auf mich zu und packte mir mit seiner linken Hand in die Haare, um mit seiner Rechten nach meinem Hals zu greifen. Ich machte es mir zunutze, dass auch ein Vampir nur ein Mann war, drehte mich um meine eigene Achse und rammte ihn mit voller Wucht mein Knie direkt zwischen die Beine. Sein Griff wurde augenblicklich lockerer und er ließ sofort meine Haare los. Mit Gebrüll sank er in die Knie. Er schnaufte und wich mit gefletschten Zähnen wie ein Raubtier zurück. Lionel stand schon wieder lässig mit der Schulter an die Türe gelehnt und sprach mit überheblicher und siegessicherer Stimme: „Wir sind zwei, zwei grausame Wesen gegen ein ebenso grausames Wesen, willst du es wirklich mit uns beiden aufnehmen?“
„Ich komme wieder, verlass dich drauf,“ fauchte Richard und wie ein geölter Blitz war er mit einem Satz durch das offene Fenster verschwunden.
In mir brodelte ein Feuer. Wenn es das Fegefeuer wirklich gab, dann war ich jetzt ein Teil davon. Meine Gedanken rasten, mein Herz schlug so gewaltig, dass es sich anfühlte, als würde mein Brustkorb gleich explodieren. Vor wenigen Stunden noch begehrte Lionel mich, wie ich noch nie begehrt worden war und nun soll alles nur ein mieser Trick gewesen sein? Meine Mutter hatte mich vor ihm gewarnt, mein Vater ebenso, wie konnte ich so naiv und dumm sein, nur einen Funken Menschlichkeit in ihm zu vermuten. Das Hämmern in meinem Kopf wurde immer stärker.
„Verschwinde aus meinem Leben!“
Meine Stimme war tiefer als sonst, sie dröhnte regelrecht durch den Raum und mein Körper war angespannt wie noch nie zuvor. Ich ballte die Fäuste, presste sie zusammen und krampfte meine Finger ineinander.
„Sarah, bitte, lass dir doch erklären. Ich bitte dich.“
Verzweiflung lag in seiner Stimme, doch wer konnte ihm schon glauben?
Ein Vampir ist nicht verzweifelt, er spielt nur mit mir.
Für mich gab es in diesem Augenblick nichts zu erklären. Ich schob ihn in den Flur, öffnete die Wohnungstüre, drängte ihn in das Treppenhaus und verschloss schnell die Türe wieder. Danach rief ich Mary an und heulte wie ein Schlosshund.
„Ach du Scheiße, mit Lionel? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Au weh, das ist ja der Oberhammer.“
„Scheißkerl,“ jammert ich und ließ meinen Gefühlen freien Lauf.
„Wie war er
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