Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
von Körperteilen raufte sich durch mein kleines Zimmer. Hier waren gnadenlose Kräfte am Werk und die Geräuschkulisse nahezu erschreckend. Ich war mir der Kündigung meiner Wohnung sicher. Der fremde Vampir war Lionel ebenbürtig, so flogen beide abwechselnd durch den Raum, machten einen Heidenkrach und zertrümmerten in kürzester Zeit mein ganzes Mobiliar. Die kleine Glasvitrine, die ich von Martin vor zwei Jahren zum Geburtstag bekommen hatte, zersprang klirrend in tausend Teile und weckte in mir ein unbändiges Gefühl, die beiden auf der Stelle zu vernichten. Wenn sie nicht diese abnormen Kräfte gehabt hätten, hätte ich längst eingegriffen und ihr Dasein dem Erdboden gleichgemacht. Sie zerstörten mein Heiligtum und das, ohne dass ich eine Chance sah, etwas zu tun.
Es reicht!
„Lionel,“ schrie ich aus Leibeskräften. „Schaff den Kerl hier raus und verschwinde du gleich mit von hier.“
Dieser Richard wirbelte ihn, als wöge er keine fünf Pfund, durch die Luft, wobei es nicht lange dauerte, bis Lionel auf meinen Schreibtisch knallte und das splitternde Holz unter sich begrub. Der kleine Bilderrahmen mit Martins Foto und der große Flachbildschirm verschwanden unter den Trümmern.
„Mein PC, seid ihr bescheuert?“
Ein dämlichere Frage hätte ich nicht stellen können. Im Bruchteil einer Sekunde stand der fremde Altvampir vor mir, machte eine Handbewegung, die mich an einen tibetischen Mönch erinnerte und züngelte besänftigend: „Du bist es wirklich, das Amulett. Ich kann es riechen. Lionel hat es also geschafft, dich zu finden. Und er war nicht bereit zu teilen.“
Er schnalzte mit der Zunge und warf Lionel einen bösen Blick zu. Dann wandte er sich wieder an mich.
„Das ist höchst traurig. Hat dein kleiner Freund dir denn schon gesagt, was er mit dir vorhat?“
Aus seiner Kehle drang ein überhebliches Lachen.
„Lionel! Hast du ihr denn nicht gesagt, dass du sie opfern willst? Dass sie es ist, die die Pforten öffnen kann? Dass ihr Blut und ihr Tod der Schlüssel zu allem ist? Oder hast du sie nur gefickt?“
Wie erstarrt stand ich mit dem Rücken an den Türrahmen gepresst und fand keine Worte. Der Zopfträger lächelte durch seine weißen Beißerchen und streichelte tätschelnd meine Wange. „Ich kann es riechen. Dein Geruch klebt an Lionel, wie frisch geteerter Asphalt. Sag mir: war er gut?“
„Fass mich nicht an,“ zischte ich, doch es schien ihn in keiner Weise abzuschrecken.
Er verdrehte erst nachdenklich die Augen, dann spottete er weiter mit verzerrtem Gesichtsausdruck: „ Wir Vampire haben ja eine Weile Erfahrung. Du kleines Menschlein bist also in den Genuss gekommen, richtig durchgevögelt worden zu sein. Und er hat dich nicht gebissen, ich bin beeindruckt.“
Er ließ langsam von mir ab, drehte seinen Kopf um eine viertel Drehung zu Lionel und lächelte: „Du beherrschst dich besser als ich dachte, alter Freund.“
„Ich bin nicht dein Freund, Richard!“ würgte Lionel die Worte heraus und mit einem Satz war er wieder auf den Beinen.
Das war also Richard. Der Altvampir, der auf der Suche nach mir war. Mir war die Situation nicht mehr geheuer und mir wurde in diesem Moment mehr bewusst, als je zuvor, dass ich mit zwei Kreaturen der Nacht mutterseelenallein in meiner Wohnung war. Richard lachte laut und fauchte durch seine Zähne: „Kleine Sarah, welche Geschichten hat dir der gute Lionel erzählt? Du bist die Retterin der Welt? Alle haben nur auf dich gewartet? Aber so ist es nicht. Nein, unser guter Lionel wollte die Macht für sich allein, er wollt das Rad für sich allein. Doch er hat es noch nicht gefunden. Und so musstest du noch eine Weile am Leben bleiben, denn nur frisches Blut ist gutes Blut. Und geopfert hätte er dich um der mächtigste Vampir aller Zeiten zu sein. Dummes kleines Mädchen, hast du wirklich geglaubt, du hast in Lionel einen Freund gefunden?“
Er begann schallend zu lachen. So laut, dass ich den Drang verspürte, die Ohren zuzuhalten. Doch diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben.
Meine Blicke wanderten zu Lionel, er stand nun in Kampfhaltung rechts neben mir. Seine Augen blitzten Richard an. Ich ließ nicht von ihm ab und aus meiner Kehle drang ein verzweifelter Ruf: „Ist das so? Lionel, antworte mir, ist das so? Hast Du deswegen so eine Angst gehabt, als ich meine Kräfte bekam?“
Lionels Augen waren gelb, ein tiefes unglaublich leuchtendes Gelb. Sie waren voller Zorn und gleißender Wut. Richards Lachen erlosch langsam
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