Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
an,“ fauchte Mary.
Ich musste mich zusammen reißen, um nicht laut zu lachen. Lionel hingegen fuhr unbeirrt fort.
„Ich sehe sie in meinen Träumen, ich spürte Schmerz in mir. Ich habe versucht mich dagegen zu wehren, ich wollte sie hassen, doch das Tier in mir ist zu schwach geworden. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich will ihr nichts tun. Nicht mehr….ich will sie schützen….“
Ich verdrehte die Augen, war er völlig geisteskrank geworden? Ich glaubte ihm kein Wort. Was für eine billige Masche meine beste Freundin für seine Zwecke einzuspannen. Am liebsten hätte ich zu einem dieser kleinen Kinderpflöcke gegriffen und ihn umgebracht, aber dann hätte ich nie erfahren, was er wirklich vorhatte. Ich ging auf die beiden zu: „ Ich will ja nicht stören, aber dürfte ich mitmachen?“
Lionel riss augenblicklich erschrocken den Kopf hoch. Zu meinem Erstaunen sah er das erst Mal wirklich ziemlich angespannt und blass aus. Der elfenbeinfarbige Teint war einem kalten Kalkweiß gewichen.
„Sarah….wie lange stehst du schon da?“
Seine Augen waren rot, dunkle Schatten umrandeten das Blau und ließen es trüber und dunkel wirken. Dennoch ließ ich mich davon nicht beeinflussen. Die Aussage Richards, der ungefragt in meine Wohnung gedrungen war, hatte mir ein weiteres Puzzleteil zugespielt. Lionel versuchte meinen Blick einzufangen und in meine Gedanken zu dringen. Das erste Mal spürte ich ihn kommen. Es war wie ein leichter Windhauch, nicht mehr wie ein tiefer Schmerz. Sofort schloss ich den Zugang. Ich wusste nicht, wie ich es gemacht hatte, ich tat es einfach.
„Nein Lionel, mit mir nicht mehr, du kannst nicht mehr ungefragt in mich hinein lesen, verschwinde endlich oder ich töte dich.“
Zornig und bestimmend wies ich mit der Hand auf die Wohnungstüre. Er startete keinen weiteren Versuch. Er stand ohne ein weiteres Wort auf. Sein Blick schweifte über den Boden. Mary machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihren kleinen Holzspieß an seiner Brust an. Zu meinem Erstaunen stand er einfach nur da und bewegte sich nicht. Doch dann, im einem Bruchteil einer Sekunde packte er ihren Arm, zog sie an sich und riss ihren Kopf hoch. Seine Augen begannen sich golden zu färben und das Tier in ihm erwachte. Mary schrie und ich stürzte mich auf ihn. Mary riss sich los und ich packte Lionel an den Schultern. Mit meinem ganzen Gewicht presste ich ihn an die Wand. Mary flüchtete in die Küche. Ich griff in sein weiches Haar und zog seinen Kopf schräg an meinen Mund, meine Lippen berührten fast sein Ohr. Zischend drohte ich: „Geh mir aus dem Weg Lionel, ich sage ungern etwas zweimal. Ich werde dich auf der Stelle töten wenn du das noch einmal wagst.“
Er wehrte sich nicht. Ich ließ von ihm ab. Unsere Blicke trafen sich und wir standen uns für en Bruchteil einer Sekunde starr gegenüber. Langsam kam das helle Blau in seinen Augen zurück und ich spürte wieder diese unergründliche Tiefe in ihm. Was war los mit dieser Kreatur? Wer war er? Was verbarg sich dort in seinem Inneren? Wie eine Mumie, bewegungslos, kalt und tot stand er vor mir. Diese Leere in seinen Pupillen machte mich wahnsinnig. Und doch fühlte ich, da war mehr, etwas Verborgenes. Etwas nie Gekanntes. Ich konnte es nicht sehen, aber ich spürte dieses seltsame, versteckte Vibrieren in seiner Brust. Ein Gefühl, für das ich noch keine Erklärung hatte. Er löste sich langsam aus seiner Erstarrung, blickte verzweifelt und schuldbewusst zu Mary rüber, ließ die Arme sinken, die Hände zu Fäusten geballt und flüsterte: „Es tut mir leid. “
Wie ein geölter Blitz verschwand er aus der Wohnung und hinterließ nur einen Luftzug, der die seidenen, weißen Vorhänge zum Wehen brachte. Ich ließ mich mit einem tiefen Seufzer aufs Sofa fallen und schüttelte verwirrt den Kopf. Mary setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schultern: „Ich weiß nicht was in den Kerl gefahren ist, ich glaube, ich weiß gar nichts mehr!“
Mein Kopf platzierte sich wie von selbst auf ihre Schulter.
„Ich auch nicht. Ich will mein Leben zurück. Ich vermisse Martin so sehr.“
Mary streichelte mir sanft übers Haar. Ich schloss die Augen. Wie schön wäre es, wenn Martin noch mit mir reden würde. Er fehlte mir. Unsere Pläne, unser Leben, alles war von heut auf morgen aus den Fugen gerissen worden. Und Martin? Ihn interessierte es nicht einmal, was mit mir war und wie es mir ging. Kein Anruf, keine Nachricht, keine Nachfrage, ob ich
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