Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
nachdenklich: „ Reiner Zufall, war kurz im Pflegegeheim bei meinem Großvater. Er ist ja in Köln geboren. Ich hatte gehofft, dort an Informationen zu kommen. Doch durch seine Alzheimer Krankheit kann man ihn ja nicht mehr für voll nehmen. Allerdings hatte er einen lichten Moment, denke ich und da plapperte er fröhlich drauflos. Er erzählte etwas von einer Enneleyn. Er kannte sie wohl sehr gut. Sie muss allerdings schon verstorben sein. Sie war wohl auch in dem Pflegeheim. Von ihr hat er diese Geschichten. Für ihn sind es ja nun mal reine Geschichten.“
„Wie klein die Welt doch ist,“ murmelte ich und überlegte kurz. Wenn es Menschen gab, die davon wussten, musste es noch mehr von ihrer Sorte geben.
„Mary, sag mal, könnten wir nicht noch einmal zusammen deinen Großvater aufsuchen? Vielleicht kennt er ja noch jemanden, der darüber etwas weiß.“
Bevor sie eine Antwort geben konnte, schepperte es laut durch den Hörer und mein Trommelfell zog sich krampfhaft zusammen.
Ich hörte Mary aufschreien und rief entsetzt: „Bist Du noch da, Mary? Was ist los?“
Der Hörer war mit einem dumpfen Knall auf das Laminat gefallen und ich hörte meine Freundin aufschreien: „Raus hier, ich habe gar keine Lust auf dich. Und ich schmecke auch gar nicht. Verschwinde aus meiner Wohnung.“
Ich sprang auf, griff nach meiner Tasche, schnappte mir den Hausschlüssel, lief zum Wagen und raste sofort los. In weniger als sechs Minuten, drei roten Ampeln und neun Geschwindigkeitsübertretungen, kam ich bei Mary an. Die Stufen nahm ich gleich doppelt und wühlte währenddessen in meiner Tasche nach Marys Ersatzschlüssel, den ich immer bei mir trug, da sie öfters die Türe hinter sich zuschlug und in ihrem trotteligen Köpfchen ihren eigenen Schlüssel ständig auf der Komode liegen ließ. Die schlimmsten Visionen und Bilder jagten durch meinen Kopf. Ich sah schon eine Blutlache vor meinen Augen, die sich auf dem schicken Laminat verteilte und eine tote Mary in den Armen eines Vampires. Ich schloss die Türe auf, preschte ohne zu überlegen mit einem Hechtsprung ins Wohnzimmer und blieb verdutzt stehen. Lionel hockte auf dem Sessel, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, sein Gesicht in den Händen versteckt. Mary stand schimpfend vor ihm: „Und da brauchst du kleiner Spinner gar nicht hier her zu kommen und dich auszuheulen, erst den starken Mann markieren, den großen, wilden Vampir spielen und jetzt einen auf Weichei machen. Himmel, du brauchst einen Psychiater.“
Der Anblick, der mich hier erwartete, übertrumpfte jegliche Vorstellungskraft. Gleichzeitig zauberte es mir das breiteste Grinsen zu dem ich wohl fähig war in mein Gesicht. Mary stand breitbeinig vor Lionel und wedelte mit einem angespitzten Kochlöffel vor seinem gesenkten Haupt hin und her, doch der Altmeister nahm es nicht mal zur Kenntnis.
Alle Anspannung fiel von mir. Auf dem Wohnzimmertisch lag ein alter Bleistiftanspitzer aus der Schulzeit, daneben lagen weitere Kochlöffel mit scharfen Spitzen. Bei dem Radau, den Mary veranstaltete, hatten die beiden mich noch nicht bemerkt, so blieb ich ganz ruhig stehen und beobachtete amüsiert die Szene, die sich vor meinem bloßen Auge abspielte. Stutzig machte mich allerdings, dass Lionel meine Anwesenheit nicht sofort spürte.
„Und glaub ja nicht, dass du mit der Masche bei mir durchkommst. Vampir hin oder her. Vor wenigen Tagen hast du mich hier bedroht, beleidigt, wolltest mich beißen, jagst uns allen Angst und Schrecken ein, benutztest Sarah für deine Zwecke, willst sie opfern und jetzt jammerst du, dass sie dich rausgeschmissen hat? Haste Schiss bekommen, vor diesem Richard? Dass du jetzt Sarahs Hilfe brauchst?“
Mary war richtig in Fahrt und fuchtelte weiter mit den kleinen Hölzern vor seinem Gesicht herum.
„Ich mache dich eigenhändig fertig.“
Ich zog die Stirn kraus.
Wie will sie das bloß jetzt anstellen?
Er musste sie ganz schön in Rage gebracht haben um sie in eine derartige Verfassung zu bringen. Seine Stimme klang verwirrt und rau, leise verließen die Worte seine Lippen: „Mary, du hast Recht. Du hast verdammt noch mal Recht. Ich bin eine Bestie. Und bevor ich Sarah kannte, wollte ich nichts lieber als sie umbringen. Sie benutzen. Ihr Geruch, ihr Anblick, das Wissen um ihre Herkunft. Doch ihre Augen…… sie verändern mich. Sie macht irgendetwas mit ihren Augen. Ich werde wahnsinnig. Sie starrt mich an, ich verliere mich in ihren Augen.“
„Dann zieh ne Sonnenbrille
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