Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
du, dass
man mit Gideon überhaupt nicht vernünftig reden kann? Dass man ihn kein bisschen bekehren kann?«
»Er tötet Vampire.«
»Das hast du schließlich auch getan, und du hast dich doch ganz gut entwickelt.«
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich hatte nie Spaß daran so wie er.«
Ich hatte Quinn geholfen. Ich hatte ihm sogar geholfen, als ich es vermutlich gar nicht gemusst hätte, weil er mich damals noch mit einer Mücke verglichen hatte, die man einfach zerquetschen sollte. Er hatte eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass er sich als Vampir nicht anders fühlte denn als Mensch. Er hatte eingesehen, dass er sich falsch verhalten hatte. Er war ein Jäger, der eigentlich nicht böse war.
Wenn alles nach Gideons Masterplan lief, würde er ebenfalls zum Vampir werden. Würde er eine Erleuchtung haben? War er vielleicht nicht durch und durch böse? Steckte in ihm womöglich ein guter Kern?
He, man konnte nie wissen, oder?
»Thierry hat mir von deinem Fluch erzählt.« Er flüsterte beinahe und sah mich von der Seite an. Wir gingen weiter. Ein paar unauffällige, harmlose Passanten – zumindest sahen sie so aus – kamen uns entgegen. »Er dachte, dass es gut wäre, wenn ich da bin. Nur für den Fall.«
Mein Magen verkrampfte sich. »Nur für welchen Fall?«
»Für den Fall, dass der Ring jemanden schickt, um dich zu überprüfen. Mit überprüfen meine ich eliminieren . Betrachte mich einfach als zusätzlichen Schutz.«
Ich schluckte schwer. Noch eine Sache, mit der ich mich beschäftigen musste.
»Was ist mit Janie?«, fragte ich leise.
»Sie ist ebenfalls bereit zu helfen.«
Ich hob skeptisch eine Braue. »Ich habe ein Foto gesehen, auf dem sie Thierry küsst.«
Seine Miene verfinsterte sich, und er biss die Zähne zusammen. »Vielleicht bringe ich Thierry einfach um. Der alten Zeiten wegen. Ich habe sicher irgendwo noch einen scharfen Pflock.«
»Dann stimmt es also? Ihr seid zusammen?«
Er schwieg einen Moment. »Es sei denn, sie stellt auf einmal fest, dass sie auf alte humorlose Vampire mit null Persönlichkeit steht. Wie eine gewisse andere Frau, die ich kenne.« Dann grinste er mich an. »Ja, wir sind zusammen.«
»Was Frauen angeht, hast du einen seltsamen Geschmack.«
»Wie du bei Männern.«
»Touché.«
Darüber musste er lachen. »Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich liebe sie. Sogar sehr. Ich will mit ihr den Rest meines Lebens verbringen.«
»Aber sie ist ein Mensch. Ist das nicht irgendwann schwierig, wenn sie achtzig ist und du immer noch genauso aussiehst wie heute?«
»Sie … sie ist kein Mensch mehr. Sie ist auch ein Vampir.« Er holte tief Luft und stieß sie langsam aus. »Das ist eine lange Geschichte, okay? Es gibt Situationen, die eine rasche Entscheidung verlangen. Bei denen es um Leben oder Tod geht.«
Ich versuchte, mir meinen Schock nicht anmerken zu
lassen. Jeder schien neuerdings ein Vampir werden zu wollen. Waren Vampire wirklich so en vogue ? Vielleicht war es tatsächlich auf einmal cool und erstrebenswert, ein Vampir zu sein.
Klar. Das sollte ich glauben. Wenn ich so naiv wie Amy wäre vielleicht. Ich wünschte mir ein bisschen, ich wäre es.
Ich stieß die Luft aus. »Janie war sicher nicht gerade begeistert, als sie erfuhr, dass du so tun willst, als wärst du mit mir zusammen.«
»Sie hat irgendetwas davon gemurmelt, sie würde dich aufschlitzen und dein Herz verspeisen, wenn du es wagst, meinen Körper auch nur zu berühren.«
Meine Brauen küssten meinen Haaransatz.
»He! Sie hat nur Spaß gemacht. Na ja, jedenfalls überwiegend .« Dann sah er mit nachdenklichem Blick nach vorn. »Wenn man vom Teufel spricht.«
Wir waren um die Ecke gebogen und wieder auf die Yonge Street gekommen. Während wir uns gehetzt im Flüsterton unterhalten hatten, waren wir einmal um den Block gelaufen. Vor uns verließen zwei sehr vertraute Vampire ein schickes Restaurant, in dem sie laut Amys Beobachtung einen Großteil des Nachmittags verbracht hatten. Als wir auf sie zugingen, legte Quinn den Arm um meine Taille.
Thierry sah mit zusammengezogenen Augen erst Quinn und dann mich an. »Was für ein Zufall! Sarah, wie schön, dich zu sehen.«
Seine Worte klangen herzlich, aber seine Miene war es nicht. Er wirkte vielmehr deutlich unterkühlt.
Ich ebenso. Einerseits freute ich mich, ihn zu sehen. Andererseits
wollte ich ihm die kalte Schulter zeigen, weil er mich nicht informiert hatte. Über gar nichts .
Das war ziemlich nervig.
Und trotzdem
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