Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
geschlossen und war verlassen.
Dreimal klingelte mein Telefon, und ich erkannte am Klingeln, dass es Thierry war. Ich hob nicht ab. Vermutlich war er wütend auf mich, weil ich gegangen war. Vermutlich? Eher ganz bestimmt . Ich verstand ihn, es war nicht gerade die beste Idee, in meinem kettenfreien Zustand auf der Straße herumzulaufen.
Noch eine Untertreibung.
Wen interessiert schon, was der denkt?, schaltete sich meine Nachtwandlerin ein. Dieser Kerl ist ein solcher Langweiler. Der gönnt dir keinen Spaß.
»Stimmt das?«, fragte ich laut. »Nicht, dass ich von dir irgendeinen Ratschlag annehmen würde.«
Ich bin du, du dumme Gans . Und ich weiß, was du willst .
»Und das wäre?«
Frei sein. Spaß haben. Du hattest Spaß, aber seit du Thierry begegnet bist, bist du unglücklich.
»Das hat nichts mit Thierry zu tun. Das hat mit meinem Vampirdasein zu tun.«
Weißt du, mit wem du Spaß haben kannst? Mit Gideon. Der ist so sexy und aufregend, und das Leben mit ihm wäre schrecklich schön.
»Schrecklich schön?« Meine böse innere Stimme hörte sich fast an wie eine echte Tussi.
Ja. Gideon hat dir doch gefallen, oder? Er hat dir leidgetan. Mehr als nötig. Und da war noch etwas anderes – ein Funken von etwas anderem. Sind deine Gefühle denn auf einmal alle weg?
Ich biss die Zähne zusammen. »Sie sind weg. Er hat mich benutzt, er hat versucht, mich zu manipulieren.«
Und es hat perfekt funktioniert. Du hast deine »große Liebe« bewusstlos auf dem Boden liegen lassen, um zu Gideon zu rennen. Du tust genau das, was er will.
»Nur, um Amy zu retten.«
Mmmh, mmmh. Ja, ja, du kannst mir viel erzählen. Ein Vampirvamp.
Ich biss die Zähne zusammen. »Es ist mir egal, was du denkst.«
Nun, das sollte es nicht. Sobald ich die Gelegenheit dazu bekomme, werde ich die Entscheidungen treffen, Schätzchen. Ich habe es so satt, dass du hier das Sagen hast. Ich will endlich meinen Auftritt im Sonnenlicht haben. Natürlich im übertragenen Sinn. Kein echtes Sonnenlicht. Das brennt nämlich höllisch, stimmt’s?
»Halt endlich den Mund.«
Großartig. Jetzt diskutierte ich schon mit meiner Nachtwandlerin. Das war kein gutes Zeichen. Die Situation machte ihr überhaupt keine Angst. Sie war glücklich, meiner dunklen Seite die gesamte Kontrolle zu überlassen. Sie suchte Gideon aus ganz anderen Gründen als ich. Amy bedeutete ihr nichts.
Empfand ein Teil von mir wirklich so? Oder war meine Nachtwandlerin eine eigenständige Identität, die sich vollkommen von mir unterschied?
Ich schätze, das werden wir bald herausfinden, was?, sagte sie in meinem Kopf.
Tussi war eine ziemliche Zicke.
He, das ist kein Grund, unhöflich zu werden .
Ich sollte in meinem Zustand nicht auf der Straße herumlaufen. Es war wie Alkohol am Steuer – riskant, gefährlich und unglaublich dumm. Aber ich klammerte mich nur an einen Gedanken: Amy . Es war, als würde man erst noch den Valentinstag abwarten, bevor man mit jemandem Schluss machte. Ich musste mich davon überzeugen, dass es ihr gut ging, bevor meine Nachtwandlerin vollkommen die Kontrolle übernahm.
Sie schien es leider auf einen frühen Start anzulegen. Wann immer sie ihr hässliches Gesicht zeigte, drängte ich sie zurück.
Thierrys Worte von vorhin klangen in mir nach. » Gideon schätzt deine dunkle Seite, während ich sie bekämpfe. Du musst wohl selbst entscheiden, wer von uns recht hat.«
War er nur eifersüchtig wie damals bei Quinn? Ich wusste schon, wer recht hatte. Ich war nicht hin- und hergerissen,
für welche Seite ich mich entscheiden sollte. Ich liebte Thierry. Ich hasste Gideon. So einfach war das.
Ja, richtig, ergriff meine innere Stimme das Wort.
»Halt die Klappe.«
Wo zum Teufel steckte Gideon? Und wie sollte ich ihn in einer Stadt mit zweieinhalb Millionen Einwohnern finden?
Wie wäre es mit einem Lokalisierungsspruch ?, schlug meine Nachtwandlerin hilfsbereit vor.
»Als ich es das letzte Mal versucht habe, war ich noch ein Vampir, keine Hexe.«
Ich lief zügig die Front Street hinunter. Einige Leute sahen mich stirnrunzelnd an, während ich wie eine Verrückte Selbstgespräche führte.
Ein Lokalisierungsspruch. Wenn man jemanden kannte, der ein bisschen Hokuspokus beherrschte, konnte man den genauen Aufenthaltsort einer Person feststellen. Wie hieß er noch? Hexenmeister Steven, auch Finsternis genannt, hatte doch mit einem Lokalisierungsspruch herausgefunden, wo ich wohnte. Kurz bevor ihn ein Dämon ergriffen und mich gegen die Wand
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