Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
hole uns etwas von dem Kaffee, den George gekocht hat«, zischte Barry. Ohne eine Antwort abzuwarten, stand er vom Sofa auf und ging in die Küche. Ich hörte ihn mit Tassen und Löffeln hantieren.
Ich trat einen Schritt auf Thierry zu. »Ich muss wirklich gehen.«
»Das kannst du nicht.« Er hielt abwehrend eine Hand hoch, um mich aufzuhalten. »Und bitte, Sarah. Komm nicht näher. Ich bin immer noch ein bisschen wackelig von vorhin.«
Ich erstarrte auf der Stelle. »Ich habe zu viel Blut getrunken.«
»Es ist nicht wegen des Bluts, es ist …« Er sah mich aus seinen silberfarbenen Augen an. »Deine Nachtwandlerin lockt meine eigene finstere Seite hervor. Sie beunruhigt mich.«
Ich zuckte zusammen. »Ich weiß. Es ist abstoßend.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich finde es verwirrend, weil ich … weil es mir gefällt. Wenn meine dunkle Seite zum Vorschein kommt, ist alles so einfach. Die Sorgen der Welt verschwinden, und es bleibt nur die Finsternis und die Lust, die mit ihr verbunden ist.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. »Das hört sich eigentlich ganz sexy an. Aber du findest es nicht gut, richtig?«
Er gab ein Geräusch von sich, das sich beinahe wie ein Lachen anhörte. »Ich habe mich vor langer Zeit entschieden, alles zu meiden, das meine dunkle Seite hervorlockt.«
Er zog die Brauen zusammen. »Ich bin noch nie einem Vampir begegnet, der sich so schwer beherrschen kann wie ich. Abgesehen von Nachtwandlern natürlich.«
»Es gibt eine Menge Vampire, die überhaupt nicht wählerisch sind, was ihre Blutquelle angeht.«
»Ja, aber die sind nicht so … süchtig nach Blut wie ich.«
Ich dachte über seine Worte nach. »Du meinst, du hättest einen kleinen Nachtwandler in dir, der versucht, die Kontrolle zu übernehmen?«
»Vielleicht.« Sein schönes Gesicht wirkte angespannt und verriet mir, wie viel Überwindung ihn dieses Geständnis gekostet hatte.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, unmöglich.«
Sein Blick verfinsterte sich noch mehr. »Es überrascht mich, dass du das sagst. Schließlich hast du mehr als viele andere von meiner dunklen Seite erlebt.«
»Nachtwandler empfinden nach ihrem Mitternachtsimbiss keine Reue. Aber du? Du fühlst dich total schuldig. Beinahe siebenhundert Jahre sind eine lange Zeit, um sich selbst zu hassen. Ich wette, du konntest dich schon als Mensch nicht leiden, als du noch Schafe gehütet hast oder womit auch immer man damals sein Geld verdient hat. Lange bevor du Veronique begegnet bist.«
Er hob eine dunkle Braue. »Ich war kein Schäfer.«
»Was warst du dann?«
»Schankwirt. Bevor die Pest über uns kam, habe ich diverse Gastwirtschaften und Tavernen betrieben.« Einen Augenblick schien er vollkommen abwesend. »Seltsam. Ich habe schon ewig nicht mehr daran gedacht.«
»Warst du so etwas wie ein mittelalterlicher Donald Trump?«
»Das könnte man sagen.«
Darüber musste ich lächeln. »Scheint mir irgendwie passend.« Ich streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, und diesmal wich er nicht zurück. »Ich weiß, dass du eine schlimme Zeit durchgemacht hast. Es ist nicht gerade einfach, ein Vampir zu sein, oder?«
»Du bist erstaunlich gut damit zurechtgekommen.«
»Machst du dich lustig über mich? Muss ich erst meine ganzen Missgeschicke aufzählen? Seit der Nacht, in der ich gezeugt wurde, habe ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Ich wollte kein Vampir sein. Ich fand es abscheulich. Und als ich mich gerade daran gewöhnt hatte, wurde es immer schlimmer.«
»Sarah …«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann sie fühlen, Thierry … die Nachtwandlerin, die die Kontrolle über mein Leben und meinen Körper übernehmen will. Ich spüre, wie sie sich langsam in mein Bewusstsein drängt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch habe, aber ich will, dass du etwas sehr Wichtiges weißt.«
Er wirkte angespannt. »Was?«
»Dass ich nicht wieder normal sein will. Ich will nur glücklich sein. Mit dir.«
Er zog mich näher an sich. »Ich schwöre dir, Sarah, ich werde alles tun, um dafür zu sorgen.«
»Ich kann dafür sorgen, aber ich muss jetzt gehen.«
»Nein. Du bleibst hier.« Sein Griff wurde fester. »Ich suche Gideon und tue, was nötig ist, um ihn aufzuhalten.«
Mein Magen sank in die Kniekehlen. »Du willst ihn umbringen.«
»Wenn es nötig ist.« Er sah mich aus schmalen Augen an. »Würde es dir etwas ausmachen? Würdest du um Gideon Chase trauern? Nach allem, was er getan hat?«
Ich glaube, meine Antwort kam nicht so
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