Sarah Maclean
weiche Haut über
ihrem Schlüsselbein. „Ich will jetzt wirklich keine Gesell-
schaft, Benedick."
Er erwiderte nichts, schlich stattdessen um den Sessel und
setzte sich schließlich auf die Ottomane, die sie beim Platzneh-
men beiseitegeschoben hatte. Da hob sie endlich den Kopf, stieß
hörbar die Luft aus, richtete sich auf und stellte die Füße auf
den Boden.
„Was ... was machst du denn hier?"
Er beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und
sagte: „Ich habe versucht, mich von dir fernzuhalten. Aber es
gibt ein paar Dinge, die ich dir einfach sagen muss."
Sie schüttelte den Kopf und starrte ihn aus großen Augen an.
„Wenn du erwischt wirst ... Benedick sitzt gleich gegenüber!
Wie bist du reingekommen?"
„Der Butler hat mich reingelassen. Außerdem weiß dein Bru-
der, dass ich hier bin. Und ich fürchte, Kaiserin, er ist auf mei-
ner Seite."
„Du hast es ihm erzählt?", fragte sie entsetzt.
„Ja. Du hast mir ja keine andere Wahl gelassen. Und jetzt sei
still und hör zu, ich habe dir so viel zu sagen."
Callie schüttelte den Kopf, weil sie nicht auf ihre Standfes-
tigkeit vertraute, wenn er sie mit schönen Worten überschütte-
te. „Gabriel - bitte nicht."
„Nein. Du spielst jetzt mit unser beider Leben, Callie. Ich las-
se nicht zu, dass du Entscheidungen triffst, ohne genau zu wis-
sen, worum es geht." Sie zog die Beine an und rollte sich zu ei-
nem traurigen kleinen Ball zusammen, sodass es Gabriel schier
das Herz zerriss. „Du liebst mich. Hast du nicht das Gefühl,
dass du es dir selbst schuldest, dir anzuhören, was ich dazu zu
sagen habe?"
Sie kniff die Augen zusammen und stöhnte vor Verlegenheit
auf. „O Gott. Bitte sei still. Ich kann es nicht fassen, dass ich es
dir gesagt habe."
Er streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange. Mit
tiefer, heiserer Stimme sagte er: „Weißt du, ich lasse nicht zu,
dass du es zurücknimmst."
Da öffnete sie die Augen und warf ihm einen klaren Blick zu,
der ihm schier den Atem raubte. „Ich nehme es auch nicht zu-
rück."
„Gut", erklärte er. „Und jetzt hör zu." Er wusste nicht, wo er
beginnen sollte, und so sagte er einfach das, was ihm in den Sinn
kam. „Meine Mutter war sehr schön - dunkle Haare, strahlend
blaue Augen, ein zartes Gesicht, genau wie meine Schwester.
Sie war kaum älter als Juliana, als sie uns verlassen hat - sie
ist auf den Kontinent geflohen, um ihrer Familie und ihrem Le-
ben hier zu entkommen. Ich erinnere mich nicht sehr gut an sie,
aber eines weiß ich noch sehr gut: Mein Vater war vollkommen
verrückt nach ihr.
Ich erinnere mich daran, wie ich, als ich noch klein war, spät-
abends aus dem Bett geschlüpft bin, um sie zu belauschen. An
einem speziellen Abend habe ich aus dem Arbeitszimmer mei-
nes Vaters ganz merkwürdige Geräusche gehört. Ich bin nach
unten geschlichen, weil ich neugierig war. Im Flur war es dun-
kel, vermutlich war es schon spät, und die Tür zum Arbeitszim-
mer stand offen."
Er verstummte, und Callie rutschte auf dem Sessel nach vorn.
Eine ungute Vorahnung überkam sie, als sie diese Geschichte
hörte, diese Erinnerung von vermutlich entscheidender Bedeu-
tung. Sie wartete darauf, dass er fortfuhr. Sie hätte die ganze
Nacht darauf gewartet.
„Ich habe hineingeschaut und meine Mutter von hinten ge-
sehen, ihren schönen Rücken, ihre kerzengerade, erbarmungs-
lose Haltung, genau so, wie sie es bei Nick und mir immer ge-
macht hat. Sie ist in der Mitte des Raums gestanden, in einem
makellosen Kleid in einem hellen Lavendelton ..." Er hielt
inne, und als er weitersprach, schwang in seiner Stimme ein
überraschter Unterton mit. „Erstaunlich, an welche Details
man sich nach so langer Zeit noch erinnert ..." Und dann er-
zählte er weiter.
„Sie stand meinem Vater gegenüber, und er kniete vor ihr - er
kniete -, hielt eine Hand von ihr mit beiden Händen fest, und
er weinte." Die Geschichte kam ihm nun flüssiger über die Lip-
pen, und Callie beobachtete, wie er sich in seiner Erinnerung
verlor. „Die Geräusche, die ich oben gehört hatte, waren die
Schluchzer meines Vaters. Er flehte sie an, doch zu bleiben. Er
schwor ihr seine unsterbliche Liebe, sagte, er liebe sie mehr als
sein Leben, mehr als seine Söhne, mehr als alles sonst auf der
Welt. Er flehte sie an, bei ihm zu bleiben, immer und immer wie-
der, und er erklärte ihr immer wieder, wie sehr er sie liebe, als
könnte er ihren kühlen
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