Sarah Maclean
allmählich auch
klar."
„Hat sie Ihnen gesagt, warum sie Sie nicht heiraten will?"
Ralston nahm einen großen Schluck Whisky und überlegte
kurz. „Sie sagt, dass sie mich liebt."
Benedicks Augen weiteten sich. „Das klingt eher nach einem
Grund, jemanden zu heiraten."
„Genau das finde ich auch." Er beugte sich vor. „Aber wie
überzeuge ich sie davon?"
Benedick lehnte sich zurück, sah Raistons finstere Miene
und erbarmte sich. „Callie ist hoffnungslos romantisch. War es
schon von klein auf. Und es liegt daran, dass wir alle einer Lie-
besehe entstammen, dass sie jeden Liebesroman gelesen hat,
der ihr im Lauf der letzten zwanzig Jahre untergekommen ist,
und weil ich sie immer ermutigt habe, sich einer Ehe ohne Lie-
be zu widersetzen. Es überrascht mich nicht, dass sie Sie ohne
Liebesschwüre nicht heiraten will. Was mich gleich zu meiner
nächsten Frage führt: Lieben Sie sie denn?"
„Ich ..." Ralston hielt inne, völlig verwirrt. Liebte er sie?
Benedick grinste schief, als er die widerstreitenden Gefühle
in Raistons Miene sah. „Das müssen Sie aber noch besser hin-
kriegen, wenn sie Sie dasselbe fragt, alter Knabe."
„Ich werde ihr ein guter Ehemann sein."
„Das bezweifle ich nicht."
„Ich habe genug Geld, genug Ländereien und den Titel, um
dies zu erreichen."
„Wenn ich Callie recht kenne, macht sie sich aus alledem gar
nichts."
„Stimmt. Was ein weiterer Grund ist, warum sie Welten bes-
ser ist, als ich verdient habe. Aber Sie sollten sich etwas daraus
machen. Deswegen komme ich auch zu Ihnen."
Benedick tauschte einen langen Blick mit Ralston. „Ich weiß
es zu schätzen."
„Dann habe ich also Ihren Segen?"
„Sie zu heiraten? Ja, aber meine Zustimmung ist es nicht, die
Sie brauchen."
„Ich kann sie zu nichts zwingen. Aber um sie überzeugen zu
können, brauche ich Zeit mit ihr. Allein. Und zwar so bald wie
möglich."
Benedick nahm einen Schluck Whisky und betrachtete Rals-
ton aufmerksam. Er sah die Enttäuschung in seinem Blick und
die Anspannung in seiner Haltung, und so erbarmte sich der
Earl des Mannes, den seine Schwester so zermürbte. „Wenn
Callie nur halb so verstört ist, wie Sie in diesem Augenblick
aussehen, wird sie in der Bibliothek sitzen."
Ralston runzelte die Stirn. „Warum erzählen Sie mir das?"
Benedick grinste schief. „Sagen wir mal, mir gefällt die Vor-
stellung nicht, dass meine Schwester halb so verstört sein soll-
te, wie Sie aussehen. Versuchen Sie Ihr Glück in der Biblio-
thek, ich werde Sie nicht stören. Aber, lieber Himmel, lassen
Sie sich nicht von meiner Mutter erwischen, sonst ist hier die
Hölle los."
Ralston lächelte halbherzig über Benedicks scherzhafte Be-
merkung. „Ich bemühe mich nach Kräften, nicht aufzufallen -
auch wenn es für mich vielleicht der einfachste Weg wäre, ans
Ziel zu gelangen, wenn Ihre Mutter verlangt, dass ich Callie
heirate." Er stand auf und straffte die Schultern, als stünde er
im Begriff, in die Schlacht zu ziehen. Ernst blickte er auf Bene-
dick herab und sagte: „Danke. Ich verspreche Ihnen, dass mein
Lebenswerk ab sofort darin besteht, Ihre Schwester glücklich
zu machen."
Benedick erhob das Glas auf dieses Versprechen des Mar-
quess. „Solange nur Ihr Tagwerk morgen darin besteht, dass
Sie sich eine Sondererlaubnis besorgen."
Ralston bestätigte mit einem ernsten Nicken, dass er Callie
so bald heiraten würde, wie es nur menschenmöglich war, und
ging aus dem Raum. Dann überquerte er die dunkle, stille Ein-
gangshalle und blieb vor der Bibliothek stehen. Vorsichtig legte
er die Hand auf den Türknauf und atmete einmal tief durch, um
seinen Herzschlag zu beruhigen. Er war noch nie so aufgeregt
gewesen, noch nie so nervös vor einem Gespräch, so bereit, al-
les zu tun, was nötig war, um zu bekommen, was er wollte. Die
nächsten Minuten würden die wichtigsten Minuten seines Le-
bens sein.
Er öffnete die Tür, entdeckte sie in dem Dämmerlicht so-
fort. Sie saß mit dem Rücken zur Tür in einem der Ledersessel
am Kamin, einen Ellbogen auf die Sessellehne und das Kinn
in die Hand gestützt, und starrte ins Feuer. Er bemerkte den
blauen Satin, der über die Sessellehne bis fast auf den Boden
quoll; sie trug immer noch das wunderschöne blaue Kleid, das
sie auf dem Ball angehabt hatte. Sie seufzte, als er die Tür lei-
se schloss und sich ihr näherte. Er blieb einen Augenblick hin-
ter ihr stehen, bewunderte ihren Hals, die
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