Sarah Maclean
sterben, meine
Schöne. Noch lange nicht."
Callie hob eine Braue, eine Geste, die sie von ihm gelernt hat-
te. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das glaube, Gabriel. Mir
scheint, du bist kein sehr guter Schütze."
Nick lachte auf, und Ralston warf seinem Bruder einen stren-
gen Blick zu. Dann sagte er zu Callie: „Nur fürs Protokoll, Cal-
purnia, ich bin ein hervorragender Schütze, solange ich mir kei-
ne Sorgen machen muss, dass du meiner Kugel im Weg stehen
könntest."
„Warum hast du dir Sorgen wegen mir gemacht? Du warst
derjenige, der ein Duell austragen wollte."
Der Arzt stocherte in der Wunde, worauf Raistons Arm von
heftigem Schmerz durchzuckt wurde. „Mylord", sagte der
Wundarzt, als Ralston zischend die Luft einsog, „ich fürchte,
wir werden die Kugel herausschneiden müssen. Das wird nicht
angenehm werden."
Ralston nickte dem Wundarzt zu, der eine Kollektion übel
aussehender Instrumente aus seiner Arzttasche nahm.
Callie schaute die Instrumente nervös an und sagte: „Sind Sie
sicher, dass Sie das hier machen wollen, Doktor? Vielleicht soll-
ten wir irgendwo hingehen, wo es ein wenig bequemer ist?"
„Der Ort hier eignet sich genauso wie jeder andere, Mylady",
erwiderte der Arzt liebenswürdig. „Das ist nicht die erste Ku-
gel, die ich auf diesem Feld herausoperiere, und ich bin mir si-
cher, dass es auch nicht die letzte sein wird."
„Verstehe", sagte sie, doch ihr Ton verriet, dass sie es eigent-
lich nicht recht verstand.
Mit der freien Hand ergriff Ralston die ihre. Dann begann er
mit einer Dringlichkeit zu sprechen, die sie bei ihm noch nie ge-
hört hatte. „Callie ... die Wette."
Sie schüttelte den Kopf. „Mir ist diese dumme Wette völlig
egal, Gabriel."
„Trotzdem." Er zuckte zusammen, als der Arzt die Wunde un-
tersuchte. „Ich war ein Dummkopf."
Misstrauisch beäugte sie das Vorgehen des Arztes und stimm-
te Ralston dann zu. „Allerdings. Aber ich war auch ein Dumm-
kopf - weil ich das Schlimmste geglaubt habe. Und dann hat
Benedick mir gesagt, dass du hier bist... und ich habe mir sol-
che Sorgen gemacht, dass du erschossen werden könntest. Und
jetzt bin ich hier und habe auch noch dafür gesorgt, dass du
tatsächlich angeschossen wirst."
„Besser als wenn du angeschossen worden wärst - das hätte
mir sehr viel Kummer bereitet. Weißt du, Kaiserin, es sieht ganz
so aus, als hätte ich mich gründlich in dich verliebt."
Sie blinzelte zweimal, mit großen Augen, als hätte sie ihn
nicht ganz verstanden. „Wie bitte?", wisperte sie.
„Ich liebe dich. Ich liebe deinen extravaganten Namen und
dein schönes Gesicht und deinen scharfen Verstand und deine
alberne Liste und deine Abenteuerlust, die, wie ich vermute,
höchstwahrscheinlich die eigentliche Ursache für meinen Tod
sein wird. Und das alles wollte ich dir unbedingt noch sagen,
bevor du auf einem Feld erschossen würdest."
Die anderen Männer wandten sich geschlossen ab, peinlich
berührt und sehr darauf bedacht, diesem überaus privaten Au-
genblick, der trotz ihrer Anwesenheit und trotz Raistons bluti-
ger Wunde stattfand, so schnell wie möglich zu entfliehen.
Callie war egal, wer es alles mitbekommen hatte. Ihr ging es
allein darum, dass sie sich nicht verhört hatte. Sie sah Ralston
in die Augen und sagte: „Bist du ... bist du sicher?"
Er grinste schief. „Ganz sicher. Ich liebe dich. Und ich bin be-
reit, dies mein Leben lang zu tun."
„Wirklich?"
Sie lächelte wie ein kleines Mädchen, dem man nach dem Es-
sen eine Extraportion Nachtisch versprochen hatte.
„Ja. Eines bleibt uns jedoch noch."
„Was du willst." Ihr war egal, was er wollte, solange er sie
liebte.
„Nick!", rief er, und als sein Bruder sich umdrehte, sagte er:
„Würdest du bitte meine Pistole suchen? Callie braucht sie."
Callie lachte herzhaft, verstand sofort, was er wollte, und das
Geräusch trug weit über das Feld und erregte die Aufmerksam-
keit der anderen Männer. „Gabriel, nein!"
„O doch, mein kleiner Wildfang", sagte er liebevoll. „Ich will
diese Liste abarbeiten. Offenbar ist sie eine Gefahr für deinen
Ruf und mein Leben. Und nachdem du heute Morgen schon das
Duell streichen kannst, bin ich zuversichtlich, dass wir gleich
zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können und du Gele-
genheit bekommst, eine Pistole abzufeuern."
Callie sah ihm lang in die Augen, las seine Gedanken und
strahlte dann über das ganze Gesicht. „Also gut, ich tu's.
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