Sarah Maclean
alles verdorben habe. Bezie-
hungsweise er hat alles verdorben, da bin ich mir immer noch
nicht ganz sicher. Aber du glaubst doch nicht etwa, dass ich kei-
nen Finger krumm machen würde, um ihn zu retten?"
Die Worte hingen zwischen ihnen, als sich Bruder und
Schwester kampfbereit gegenüberstanden.
„Bitte, Benny", sagte sie bittend, klagend. „Ich liebe ihn."
Der Earl of Allendale seufzte tief.
„Herr, erlöse mich von meinen Schwestern. Ich lasse die Kar-
riole vorfahren."
„Bist du sicher, dass du das tun willst?" Nick lehnte an einer
einsamen Eberesche, hatte die Schultern gegen die morgendli-
che Kälte hochgezogen und sah zu, wie Ralston seine Pistolen
prüfte. „Du könntest dabei umkommen."
„Ich werde nicht umkommen", erklärte Ralston abwesend
und sah auf das weite Feld, das Oxford als Schauplatz ihres
Duells gewählt hatte.
„Bessere Männer als du haben das auch schon gesagt, Gabri-
el. Ich will dich nicht beerdigen müssen."
„Würde dir ganz recht geschehen", erklärte Ralston düster,
während er sorgfältig die Pistole lud. „Du wärst dann Mar-
quess."
„Ich habe genug Zeit mit dir verbracht, um zu wissen, dass
ich kein Marquess sein möchte, vielen Dank."
„Na, dann muss ich mich bemühen, den Titel zu behalten."
„Hervorragend."
Schweigen senkte sich herab, während die Brüder darauf
warteten, dass Oxford und sein Sekundant eintrafen. Das Duell
sollte im Morgengrauen stattfinden, und das Feld war in hell-
graues Licht getaucht, das die Frühlingslandschaft aller Farben
beraubte und die Landschaft öde und leer erscheinen ließ.
Nach einigen Minuten erklärte Ralston: „Ich kann ihm nicht
durchgehen lassen, dass er solche Sachen über sie sagt."
„Ich verstehe schon."
„Sie hat so viel Besseres verdient."
„Sie hat dich verdient. Lebend."
Ralston wandte sich seinem Bruder zu und sah ihn fest an.
„Du musst mir etwas versprechen."
Nick wusste sofort, was Ralston sagen würde. „Nein."
„Doch. Du musst. Du bist mein Bruder und mein Sekundant.
Dir bleibt gar nichts anderes übrig, als dir meinen letzten Wil-
len anzuhören und ihn dann auszuführen."
„Wenn dies dein letzter Wunsch ist, folge ich dir in die Hölle
und sorge dafür, dass du es bereust."
„Trotzdem." Ralston sah zum Himmel auf und zog seinen
Mantel enger um sich. „Versprich mir, dass du dich um sie küm-
merst."
„Du wirst dich selbst um sie kümmern, Bruderherz."
Ihre Blicke begegneten sich. „Ich schwöre vor dir und Gott,
dass ich das tun werde. Aber wenn mir etwas geschehen soll-
te, versprich mir, dass du dich um sie kümmerst. Versprich mir,
dass du ihr sagst..." Ralston unterbrach sich.
„Was soll ich ihr sagen?"
Ralston atmete tief durch, und bei den Worten wurde ihm die
Brust eng. „Sag ihr, dass ich ein Dummkopf war. Dass das Geld
keine Rolle gespielt hat. Dass ich, als ich gestern Abend mit der
schrecklichen Möglichkeit konfrontiert war, sie verloren zu ha-
ben, erkannt habe, dass sie das Wichtigste ist, was ich je hatte ...
wegen meiner Arroganz und weil ich nicht akzeptieren wollte,
was ich im Herzen schon so lang gefühlt habe ..." Er brach ab.
„Was zum Teufel habe ich nur getan?"
„Mir scheint, du bist hingegangen und hast dich verliebt."
Ralston ließ sich das durch den Kopf gehen. Der alte Ralston
hätte über die Bemerkung gespottet - so langweilig, fantastisch
und erschreckend -, doch nun wurde ihm auf einmal ganz warm
bei der Vorstellung, in Callie verliebt zu sein. Und dass sie die-
se Liebe erwiderte. Vielleicht war er tatsächlich „hingegangen
und hatte sich verliebt".
Nick fuhr fort und konnte sich dabei ein gönnerhaftes Lä-
cheln nicht verkneifen: „Soll ich dir sagen, was ich tun würde,
wenn ich herausfände, dass ich ein Riesentrottel war und die
einzige Frau verloren habe, an der mir je wirklich lag?"
Ralston betrachtete seinen Bruder aus schmalen Augen. „Ich
werde dich wohl kaum davon abhalten können."
„Allerdings nicht", versetzte Nick. „Ich kann dir sagen, dass
ich nicht auf diesem gottverlassenen Feld stünde in dieser gott-
verlassenen Kälte und auf diesen Trottel Oxford wartete, damit
er auf mich schießt. Ich würde dieser ganzen albernen, anti-
quierten Übung den Rücken zukehren, die Frau suchen und ihr
sagen, dass ich ein Riesentrottel war. Und dann würde ich tun,
was es eben braucht, um sie dazu zu überreden, es noch einmal
mit mir zu versuchen, obwohl ich ein
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