Sarah Maclean
sie.
Tatsächlich war sie das genaue Gegenteil von dem Frauentypus,
der ihm sonst gefiel - gleichermaßen exquisit, selbstbewusst
und erfahren.
Warum also musste er dann ständig an sie denken?
Ein weiterer Heiterkeitsausbruch im Raum bewahrte Rals-
ton davor, noch länger dieser Frage nachgehen zu müssen. Da
er ein wenig Abwechslung von seinen beunruhigenden Gedan-
ken gut gebrauchen konnte, lenkte er seine Aufmerksamkeit
auf eine Gruppe Männer, die mit großem Enthusiasmus Wetten
abschlössen. Finney, der Buchmacher, trug die Wetten im Buch
ein, so schnell er konnte.
Um besser sehen zu können, beugte Ralston sich in seinem
Sessel vor und erkannte gleich darauf, wem das Interesse des
Grüppchens galt: Lord Oxford. Da Oxford im Mittelpunkt des
Wettgeschehens stand, brauchte man nicht lange zu fragen, wo-
rum es bei all den Wetten ging - um seine anscheinend endlose
Suche nach einer Gattin. Oxford, der hauptsächlich wegen sei-
ner Spielleidenschaft tief in der Kreide stand, hatte vor einigen
Monaten dem gesamten Club verkündet, dass er sich zu verhei-
raten gedenke - je reicher die Braut, desto besser.
Ralston fand den lärmenden und dabei meist angetrunkenen
Oxford unerträglich, doch war er so erpicht auf eine Ablen-
kung, dass er eine Ausnahme machte. Er stand auf und näherte
sich dem Grüppchen.
„Zehn Guineen auf Prudence Marworthy."
„Die hat doch ein Gesicht wie ein Pferd!" Dies kam von Ox-
ford höchstpersönlich.
„Dafür ist die Mitgift so groß, dass es sich lohnen würde, das
Licht auszumachen!", ertönte eine Stimme von weiter hinten.
Ralston war der einzige Mann im Raum, der über diesen Witz
nicht lachte.
„Ich setze zwanzig Guineen darauf, dass ihn niemand außer
Berwicks Tochter nehmen würde!" Der Earl of Chilton warf
seinen Einsatz in die Mitte, worauf die anderen aufstöhnten -
über die unsensible Wette und vor Überraschung über die große
Wett summe.
„Sie mag ja recht schlicht gestrickt sein", erklärte Oxford la-
chend, „aber ihr Vater ist der reichste Mann in England."
Ralston konnte sich für derlei niederträchtige Späße nicht
begeistern und wandte sich zum Gehen. Er hatte die Tür beina-
he erreicht, als sich eine Stimme über den Rest erhob.
„Ich hab's! Das Allendale-Mädel!"
Er erstarrte, drehte sich um, um die Antwort zu hören. Diese
Frau verfolgte ihn.
„Ach was, sie hat sich doch gerade erst mit Rivington verlobt",
sagte jemand. „Und wenn du glaubst, das Allendale-Engelchen
würde sich mit Oxford begnügen, bist du übergeschnappt."
„Nicht die hübsche ... die andere."
„Die dicke?"
„Mit dem lächerlichen Namen?"
Oxford stolzierte herum wie ein Pfau, was vermutlich auf
zu viel Alkohol zurückzuführen war, und genoss die kindische
Aufmerksamkeit. „Allerdings tat Rivington klug daran, ins Al-
lendale-Vermögen einzuheiraten ... Lady Cassiopeia wäre nicht
das Schlimmste, was einem passieren könnte."
„Calpurnia", sagte Ralston leise, so leise, dass ihn niemand
hörte. Gleichzeitig wurde Oxford von einem anderen korrigiert.
Oxford fuhr fort, wedelte dabei abschätzig mit dem Glas in
der Hand: „Na, wie sie auch heißen mag, ich hätte dann jeden-
falls wieder Geld - genug, um mir eine umwerfende Geliebte zu
nehmen, dann bräuchte ich mich um meine Gattin nicht weiter
zu kümmern. Nachdem ich den einen oder anderen Stammhal-
ter gezeugt habe. Und ich könnte mir vorstellen, dass sie in ih-
rem Alter ...", er hielt inne, um seiner Bemerkimg anzüglichen
Nachdruck zu verleihen, „... dankbar für alles ist, was ich ihr
gebe."
Seine Bemerkung löste erneut misstönendes Gelächter aus.
Unwillkürlich überkam Ralston Widerwillen. Calpurnia
Hartwell würde Oxford niemals heiraten. Eine Frau mit so viel
Leidenschaft würde sich auf gar keinem Fall mit so einem Esel
begnügen. Noch nie war sich Ralston einer Sache so sicher ge-
wesen.
„Wer ist bereit, mit mir darum zu wetten, dass sie bis Juni mir
gehört?"
Ein paar von Oxfords Freunden beteiligten sich an der Wet-
te, andere wetteten darauf, dass der Earl of Allendale dazwi-
schentreten und die Heirat verbieten würde, und mindestens
ein Mann wettete, dass Oxford mit Lady Calpurnia durchbren-
nen müsste, um sein Ziel zu erreichen.
„Ich nehme alle Wetten an." Bei Raistons Worten verstumm-
ten die anderen Männer und wandten sich zu ihm um.
Oxford warf ihm ein breites Lächeln zu. „Ah, Ralston. Ich
hatte Sie gar nicht
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