Sarah Maclean
bemerkt. Sie möchten auf meine zukünftige
Braut wetten?"
Ralston konnte sich nicht vorstellen, dass die Frau, die letz-
ten Abend ungebeten in sein Haus eingedrungen war, Oxford je
als etwas anderes als ein rotes Tuch ansehen würde. So leicht
hatte er noch keine Wette gewonnen. Das reinste Kinderspiel.
„Allerdings, Oxford, ich nehme alle Wetten auf Lady Calpurnia
an. Sie haben bei ihr nicht die geringsten Chancen." Er wandte
sich zum Buchmacher. „Finney, merken Sie auf. Wenn Oxford
überhaupt so weit kommen sollte, Lady Calpurnia einen Hei-
ratsantrag zu machen, so wird sie ihn gewiss abweisen."
Überraschtes Gemurmel war zu hören, als Finney fragte:
„Wie hoch ist Ihr Einsatz, Mylord?"
Ralston sah Oxford in die Augen und sagte: „Tausend Pfund
werden wohl für die nötige Spannung sorgen, könnte ich mir
denken." Dann wandte er sich um und ging hinaus. Das Grüpp-
chen Gentlemen blieb sprachlos zurück.
Die Herausforderung war ausgesprochen.
Callie hatte geglaubt, dass dieser Abend anders sein
würde.
Sie hatte erwartet, dass Marianas und Rivingtons Ver-
lobungsball sich als wunderbar erweisen würde. Und das war
er auch - jeder Zoll im Raum war geputzt worden, bis er glänz-
te, vom Boden über die Fenster bis hin zu den riesigen De-
ckenlüstern und Wandleuchten, in denen Tausende von Kerzen
steckten, und den Marmorsäulen an der einen Wand, welche die
eindrucksvolle Galerie des Ballsaales stützten, wo sich ruhe-
bedürftige Gäste ergehen und trotzdem Teil des Ballgeschehens
bleiben konnten.
Sie war sich sicher gewesen, dass Mariana einen glänzenden
Auftritt haben würde, und auch das trat ein: Als strahlende
Schönheit hing sie an Rivingtons Arm, absolvierte mit Dutzen-
den von anderen Paaren einen lebhaften Kontretanz. Und die
anderen Gäste schienen mit Callie einer Meinung; sie waren
froh, beim ersten großen Ereignis der Saison zu Gast zu sein
und Mariana und ihren Herzog feiern zu können. Die vorneh-
me Gesellschaft war in Höchstform, nach der neuesten Mode
gekleidet und erpicht darauf, alles zu sehen und von jenen ge-
sehen zu werden, die sie während ihres Winteraufenthaltes auf
dem Lande vermisst hatten.
Allerdings hatte Callie sich vorgestellt, dass der Ball für bei-
de Allendale-Schwestern etwas Besonderes sein würde.
Und doch saß sie hier, bei den Mauerblümchen. Wie üblich.
Natürlich sollte sie sich inzwischen daran gewöhnt haben -
daran, ignoriert und zu den anderen alten Jungfern abgescho-
ben zu werden. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte sie
es anfangs sogar vorgezogen, sich dort aufzuhalten. Die Frau-
en hatten sie in ihrer Mitte aufgenommen, ihr freundlich Platz
gemacht auf den Sitzgelegenheiten, die man für sie bereitge-
stellt hatte. Callie hatte es sehr viel angenehmer gefunden, den
Fortgang der Saison von außen zu beobachten, während sie
mit den älteren Frauen Klatsch austauschte, statt verlegen auf
der anderen Seite des Raums zu stehen und darauf zu warten,
dass irgendein passender junger Mann sie zum Tanzen auf-
forderte.
Nach zwei Saisons, in denen sich nur Glücksritter und al-
ternde Witwer für sie interessiert hatten, hatte Callie die Ka-
meradschaft der alten Jungfern begrüßt.
Und sich schließlich selbst in eine verwandelt.
Sie war sich nicht einmal sicher, wann oder wie es geschehen
war, aber es war passiert. Und inzwischen konnte sie auch nicht
mehr viel dagegen ausrichten.
Aber an diesem Abend fand Marianas Verlobungsball statt.
Es war dies der erste Ball, seit Calpurnia Dinge auf ihrer Liste
strich. Und sie hatte ehrlich geglaubt, dass es diesmal anders
laufen könnte. Auf einem Fest, das eigens zur Feier der bevor-
stehenden Vermählung stattfand, hatte sie als Brautjungfer in
spe doch sicher besondere Aufmerksamkeit verdient!
Sie schaute auf die Tanzenden und seufzte leise. Offenbar
nicht.
„Ach, Calpurnia." Miss Genevieve Hetherington, eine älte-
re unverheiratete Dame mit freundlichen Augen und ohne jeg-
liches Einfühlungsvermögen, tätschelte Callie sanft das Knie.
„Sie müssen darüber hinwegkommen, meine Liebe. Manche
von uns sind einfach nicht zum Tanzen geschaffen."
„Wahrhaftig nicht", stieß Callie hervor, stand auf und ent-
schuldigte sich. Das war gewiss besser, als eine der beliebtesten
alten Jungfern des ton zu erdrosseln.
Mit gesenktem Kopf, um möglichst wenige Leute grüßen zu
müssen, ging Callie zu dem Raum, in dem die Erfrischungen
serviert
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