Sarah Maclean
wir über Juliana reden können."
Callie schluckte ihre Enttäuschung hinunter. Obwohl sie Ju-
liana dreimal die Woche besuchte, war ihr Ralston dort noch
nicht begegnet - was vermutlich das Beste war, wenn man über-
legte, wie sie sich in seiner Nähe in einen rechten Strohkopf
verwandelte.
Ihm war das offenbar noch nicht aufgefallen, denn er fuhr
fort: „Wann glauben Sie denn, dass meine Schwester bereit ist,
es mit Londons Ballsälen aufzunehmen?"
„Spätestens in einer Woche, würde ich sagen. Juliana ist eine
sehr gelehrige Schülerin, Mylord. Ihr ist viel daran gelegen, es
Ihnen und Ihrem Bruder recht zu machen."
Er nickte zufrieden. „Ich möchte Sie bitten, mit ihr einkaufen
zu gehen. Sie wird sich neu einkleiden müssen."
Callies Überraschung war offensichtlich. „Ich bin mir nicht
sicher, ob ich dafür die geeignete Begleitung bin, Mylord."
„Mir scheinen Sie durchaus passend."
Sie versuchte es anders. „Zum Kleiderkaufen sollte sie lieber
jemand begleiten, der selbst auf dem neuesten Stand der Mode
ist."
„Ich will aber Sie." Die Worte waren ebenso offen wie her-
risch.
Callie wusste, dass sie sich nicht würde durchsetzen können.
Nach einer kleinen Pause nickte sie zustimmend. „Ich muss
dazu erst ihre aktuelle Garderobe durchsehen, um festzustel-
len, was sie braucht."
„Nein. Sie braucht alles. Ich will, dass sie von Kopf bis Fuß
neu ausstaffiert wird. Nur vom Besten, und alles nach der neu-
esten Mode." Sein Ton duldete keinen Widerspruch. „Ich will
nicht, dass sie fehl am Platz wirkt."
„Aber wenn sie doch nur zwei Monate ..."
„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich sie nach Italien
zurückkehren lasse?"
„Ich ..." Callie bemerkte die Entschlossenheit in seinem Ton.
„Nein, wohl nicht. Aber, Mylord", fuhr sie vorsichtig fort, da sie
sich nicht sicher war, wie sie ihn auf die Kosten eines so extra-
vaganten Unterfangens aufmerksam machen sollte.
„Geld spielt keine Rolle. Sie soll nur das Beste bekommen."
„Also gut", stimmte sie ruhig zu; schließlich wollte sie viel
lieber den Walzer genießen, als sich mit ihm herumzustreifen.
Er gestattete ihr ein paar Augenblicke stillen Vergnügens, ehe
er sagte: „Ich möchte auch über die Voraussetzungen sprechen,
die nötig sind, damit sie Zutritt zu Almack's erhält."
Als sie das hörte, machte Callie große Augen. Vorsichtig er-
widerte sie: „Almack's ist vielleicht nicht der beste Ort, um Ju-
liana in die Gesellschaft einzuführen, Mylord."
„Warum denn nicht? Wenn sie dort akzeptiert wird, tut sie
sich beim restlichen ton doch sehr viel leichter, nicht wahr?"
„Das schon", stimmte Callie zu. „Nur sind die Patronessen
mit den Eintrittskarten nicht allzu großzügig. Nicht jeder be-
kommt ohne Weiteres Zutritt."
Ralston machte schmale Augen. „Wollen Sie damit sagen, Sie
glauben nicht, dass Juliana eine Eintrittskarte bekommt?"
Callie dachte kurz nach. „An den Manieren Ihrer Schwester
werden die Damen des Komitees gewiss nichts auszusetzen ha-
ben, aber ..."
„Aber gute Manieren allein reichen nicht aus, Lady Calpur-
nia, oder?"
Sie sah ihm direkt in die Augen. „Nein, Mylord."
„Liegt es an mir? Oder an meiner Mutter?"
„Hier ist wirklich nicht der richtige Ort, um über all das ..."
„Unsinn. Wir befinden uns in Gesellschaft. Werden nicht alle
wichtigen Angelegenheiten im Ballsaal besprochen?" Sein Ton
troff vor Ironie. Wenn sie nicht geahnt hätte, wie sehr ihn die
Situation belasten musste, hätte sie sich über seine Leichtfer-
tigkeit geärgert.
Er wandte den Blick von ihr ab, starrte über ihren Kopf hin-
weg. Vorsichtig meinte sie, nachdem sie erst seine mögliche Re-
aktion bedacht hatte: „Wenn sie selbst einen Titel tragen wür-
de ... oder wenn sie nicht in Ralston House leben würde ..." Sie
versuchte es anders. „Es wäre vielleicht einfacher, Juliana Zu-
gang zur Gesellschaft zu verschaffen, wenn wir Almack's ganz
ausklammern."
Er schwieg, aber sie konnte spüren, dass eine Veränderung in
ihm vorgegangen war. Seine Arme waren auf einmal steif vor
Anspannung geworden. Schließlich sah er sie an. „Ich möchte
sie nicht verletzen."
„Ich auch nicht." Und das wollte sie auch nicht.
Er hielt inne, als wollte er ihre Gedanken lesen. „Wird es uns
gelingen?"
„Ich werde mein Bestes tun." Die Wahrheit.
Ein Mundwinkel zuckte nach oben - wenn sie sich nicht mit
allen Sinnen auf ihn konzentriert hätte, wäre es ihr
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