Sarah Maclean
letzten
Satz strahlte die ältere Dame Ralston an und nickte aufgeregt.
So fiel die Entscheidung.
Ralston führte sie mitten auf die Tanzfläche, zu ihrem ersten
Walzer.
Während er sie über das Parkett geleitete, sah Callie ihre Mut-
ter am anderen Ende des Saals stehen, neben ihr die strahlende
Mariana. Die Dowager Countess starrte vollkommen fassungs-
los zu ihnen herüber. Callie nickte ihr kurz zu und versuchte so
auszusehen, als würde sie auf jedem Ball von attraktiven Gen-
tlemen zum Tanzen aufgefordert.
Verzweifelt bemüht, die Situation zu entkrampfen - vor al-
lem um ihrer selbst willen -, sagte Callie trocken: „Für heute
Abend haben Sie wahrlich für genug Gesprächsstoff gesorgt,
Mylord."
„Vermutlich sprechen Sie davon, dass ich überhaupt gekom-
men bin. Nun, ich dachte, nachdem Juliana auf bestem Wege
ist, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, sollte ich wohl das
Meinige dazu beitragen und mich beim ton einschmeicheln."
Nach einer langen Pause fügte er hinzu: „Warum tanzen Sie ei-
gentlich nicht?"
Callie überlegte kurz, bevor sie erwiderte: „Habe ich doch,
ein paar Jahre lang. Und dann ... habe ich damit aufgehört."
Diese Antwort schien ihn nicht zu befriedigen, denn er fragte
weiter: „Warum?"
Sie lächelte verlegen. „Meine Tanzpartner waren nicht gera-
de ideal. Wenn sie es nicht auf meine Mitgift abgesehen hatten,
dann waren sie alt oder langweilig oder... einfach unangenehm.
Mir ist es leichter gefallen, ganz mit dem Tanzen aufzuhören,
als ihre Gesellschaft zu ertragen."
„Hoffentlich finden Sie mich nicht ebenso widerwärtig."
Sie sah auf und begegnete seinem amüsierten Blick. Nein.
Ralston war nicht widerwärtig. Ganz und gar nicht.
„Nein, Mylord", sagte sie weich, und ihr Tonfall verriet, was
sie dachte, ehe sie noch hinzufügte: „Miss Parkthwaite ist an-
scheinend auch dieser Ansicht. Sie fand sie offenbar überaus
charmant."
„Man sollte die Talente, die einem zur Verfügung stehen, zu
seinem Vorteil einsetzen, Lady Calpurnia."
„Darin sind Sie bestimmt äußerst geschickt."
Seine Stimme senkte sich ein wenig. „Allerdings, darin bin
ich äußerst geschickt."
Davon wollte sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und
erklärte: „Dieser Ruf eilt Ihnen voraus, Mylord." Erst als die
Worte ausgesprochen waren, wurde sie sich ihrer Doppeldeu-
tigkeit bewusst.
Er hob eine Augenbraue. „Ach ja?"
Callie lief feuerrot an, blickte angelegentlich auf sein kunst-
voll geschlungenes Krawattentuch und wünschte sich, sie wäre
genauso flirterfahren und verführerisch wie die Frauen, mit de-
nen er sonst tanzte. Die würden natürlich genau wissen, was
man in diesem tändelnden Spiel als Nächstes sagen musste.
„Kommen Sie, Lady Calpurnia", neckte er sie leise, „auf wel-
che meiner ruchlosen Taten beziehen Sie sich?"
Sie hob den Blick und sah die Herausforderung in seinen Au-
gen. „Oh, auf alle möglichen, Mylord", erwiderte sie leichthin
und mit Genuss. „Ist es wahr, dass Sie einmal vom Balkon einer
gewissen Countess gesprungen und dabei leider in einer Stech-
palme gelandet sind?"
Raistons Augen weiteten sich ein wenig bei dieser leise ge-
stellten Frage, doch dann begannen sie wieder amüsiert zu glit-
zern. „Ein Gentleman würde ein derartiges Ereignis weder ab-
streiten noch bestätigen."
Callie lachte. „Im Gegenteil, Mylord. Ein Gentleman würde
ein derartiges Ereignis ganz gewiss abstreiten."
Er lächelte, ein verwegenes Grinsen, und Callie war dank-
bar, dass sich einen Augenblick einvernehmliches Schweigen
herabsenkte, denn angesichts dieses seltenen Lächelns war sie
sich nicht sicher, ob sie die richtigen Worte hätte finden kön-
nen. Sie ließ sich von der Musik treiben, verlor sich im Tanz, im
gemeinsamen Rhythmus ihrer Körper. Wenn dies ihr erster und
einziger Walzer sein sollte, wollte sie sich an jeden einzelnen
Augenblick erinnern. Sie schloss die Augen, ließ sich von Rais-
ton führen und war sich dabei seiner behandschuhten Finger
deutlich bewusst, die so federleicht an ihrer Taille lagen, und
der Berührung seiner langen, muskulösen Beine, während sie
sich im Takt der Musik drehten. Nach einigen Momenten ver-
lor sie die Orientierung und musste die Augen öffnen, wobei ihr
nicht klar war, ob ihr Schwindel von der Bewegung kam oder
von dem Mann. Sie begegnete Raistons Blick und akzeptierte
die Wahrheit.
Es war natürlich der Mann.
„Ich hatte gehofft, dass
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