Sarah Maclean
Hände, trat ins
Haus und ergriff warmherzig Julianas Hände. „Sie müssen Miss
Juliana sein. Ich bin Callies Schwester Mariana Hartwell."
Juliana knickste - so tief, wie sie ohne Zuhilfenahme ih-
rer Hände konnte - und sagte: „Lady Mariana, es ist mir eine
Ehre."
Mariana schüttelte lächelnd den Kopf. „Verzichten wir doch
auf die ,Lady', Sie müssen Mariana zu mir sagen. Können Sie
nicht sehen, dass wir gute Freundinnen werden?"
Juliana erwiderte Marianas Lächeln ebenso strahlend. „Dann
müssen Sie mich aber auch Juliana nennen, no?"
Callie lächelte beim Anblick der beiden jungen Frauen, die
jetzt schon vertraulich die Köpfe zusammensteckten. Jenkins,
der hinter ihnen stand, blickte zur Decke. Zweifellos sehnte
sich der Butler zurück nach den Tagen, als in Ralston House
keine Damen residierten.
Sie erbarmte sich seiner und sagte, zu den Mädchen gewandt:
„Wollen wir aufbrechen?"
Kurz darauf hatten sie die Kutsche der Allendales gestürmt
und waren unterwegs in die Bond Street, wo sie den Großteil
des Nachmittags verbringen wollten. Dorthin zu gelangen war
im Gewimmel von Kutschen und Bummlern einfacher gesagt
als getan. Während die Kutsche im Schneckentempo vorwärts-
kroch, wurde Juliana still und drückte sich die Nase am Fenster
platt, um das lebhafte Treiben auf der Straße zu beobachten:
Angehörige des ton, die von einem Laden in den nächsten wech-
selten, Lakaien, die die Päckchen und Schachteln in Kutschen
luden, Gentlemen, die vor Grüppchen plaudernder Damen den
Hut zogen. Bond Street zu Beginn der Saison war wirklich un-
vergleichlich. Callie konnte sich gut vorstellen, dass Juliana es
einschüchternd fand, gemeinsam mit dem Rest des ton auf Ein-
kaufstour zu sein. Ehrlich gesagt, konnte sie ihr daraus keinen
Vorwurf machen.
Mariana schien die Nervosität des Mädchens zu spüren und
plauderte fröhlich drauflos. „Natürlich werden wir bei Madame
Hebert anfangen." Sie legte die Hand auf Julianas, beugte sich
in der Kutsche vor und flüsterte aufgeregt: „Sie ist Französin,
die beste Schneiderin in London. Jeder will, dass sie für ihn arbeitet ... aber sie ist sehr wählerisch, was ihre Kundschaft an-
geht. In ihren Kreationen ist man Stadtgespräch!"
Juliana sah Mariana mit großen Augen an und fragte: „Wenn
sie so wählerisch ist, wie Sie sagen, warum sollte sie dann mich
als Kundin akzeptieren? Ich habe keinen Titel."
„Ach, sie wird Sie ganz bestimmt annehmen. Erstens schnei-
dert sie mir die gesamte Aussteuer - da kann sie es sich nicht
erlauben, eine Freundin von mir wegzuschicken. Und als wäre
das nicht schon genug", fügte sie nüchtern hinzu, „Ralston ist
ein Marquess und reich wie Krösus. Sie würde ihn nicht ab-
weisen."
„Mariana!", rief Callie empört aus.
Mariana sah Callie offen an. „Na, ist doch wahr."
„Trotzdem! Es ist vulgär, über Lord Raistons finanzielle Ver-
hältnisse zu spekulieren."
„Ach, Quatsch, Callie. Unter Freunden tut das doch jeder."
Mariana wedelte abschätzig mit der Hand und grinste Juliana
an. „Es stimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass er hier auch
schon diverse Geliebte hat ausstaffieren lassen."
„Mariana!" Callies Stimme wurde schrill. Juliana lachte, was
ihr einen warnenden Blick von Callie eintrug. „Ermutigen Sie
sie nicht auch noch."
Die Kutsche hielt an, und Mariana rückte ihren Hut zurecht
und band ihn verwegen unter dem Kinn fest. Sie zwinkerte Ju-
liana zu und sprang hinaus auf die Straße. „Es stimmt aber!"
Juliana folgte ihr, ebenfalls lachend, und dann liefen die bei-
den voraus in den Schneidersalon.
Amüsiert folgte Callie ihnen. Mariana war die perfekte Er-
gänzung für ihren Ausflug - sie war ebenso lebhaft wie Ju-
liana -, und Callie war ziemlich stolz auf sich, dass sie sie zu-
sammengebracht hatte. Ralston wäre sicher froh, wenn sich
seine Schwester mit der zukünftigen Duchess of Rivington
anfreunden konnte; eine derartige Verbindung würde Ju-
liana den Eintritt in die vornehme Gesellschaft beträchtlich
erleichtern. Vorausgesetzt natürlich, er fand nie heraus, dass
Mariana genüsslich seine Privatangelegenheiten durchhechel-
te - alle offenbar -, ohne sich um Diskretion zu scheren. Cal-
lie konnte nur hoffen, dass die Schwester des Marquess etwas
vorsichtiger war.
Mariana hatte natürlich recht. Die meisten Männer sorgten
dafür, dass ihre Geliebten gut untergebracht und gekleidet wa-
ren. Ralston würde da keine
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