Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
zugestellt mit Farbeimern, Werkzeugen und Gerüststangen.
Philipp Brand ging die wenigen Stufen in den ersten Stock hoch und blieb vor der Wohnung mit der Türnummer 2 stehen. Er drückte die Klinke hinunter. Die Tür war zu. Er läutete. Wartete. Niemand öffnete.
» Haben Sie meinen Vater gesehen? « , fragte er die Handwerker, nachdem er sich vorgestellt hatte.
Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort.
» Aber sein Auto steht nur ein paar Meter weit weg in der Wollzeile « , meinte Philipp Brand, als würde diese Tatsache etwas ändern. Er ärgerte sich, keinen Wohnungsschlüssel zu besitzen. Warum eigentlich nicht? Die Frage hatte er sich bis zu diesem Moment nicht gestellt, weil er, seit seine Großmutter nicht mehr hier wohnte, keinen Grund gehabt hatte herzukommen.
Dann fiel ihm ein, dass sein Vater einen Reserveschlüssel im Firmensafe aufbewahrte. Missmutig fuhr er zurück in die Firma.
Eineinhalb Stunden später stand er wieder in der Blutgasse vor der Wohnungstür, und diesmal trat er ein. Es roch eigenartig, jedoch nicht nach Farben oder Lacken, sondern eher wie im Krankenhaus. Desinfektionsmittel! Es roch eindeutig nach Desinfektionsmittel.
» Papa! « , rief er und ging in die Küche. Sie war leer.
» Papa! «
Die Stille in der Wohnung irritierte ihn. Wenn sein Vater hier war – und davon war auszugehen, denn sein Auto stand ja vor der Tür –, musste er doch irgendein Geräusch machen. Eine Tür. Schritte. Lärm. Irgendwas. Das alte Fischgrätparkett im Wohnzimmer knarrte, sobald man darüberging.
Philipp Brand ging von Raum zu Raum.
Als er die Tür ins Schlafzimmer öffnete, traf ihn fast der Schlag. Sein Vater lag auf dem Bett. Er war nackt.
Philipp Brand hätte später nicht erklären können, wieso er sofort wusste, dass Oskar Brand tot war. Er wusste es einfach. Vielleicht wegen des Geruchs, vielleicht wegen der Fliegen, vielleicht wegen der Hitze im Schlafzimmer.
Warum liefen die Heizkörper auf Hochtouren, und warum trug sein Vater keine Kleidung?
Sekundenlang stand Philipp Brand einfach nur da und starrte auf das Bild, das sich ihm bot. Was ihm dann als Erstes einfiel, überraschte ihn selber, nämlich, dass er den Zusatz » & Sohn « von » Brand & Sohn AG « nun vom Firmenschild nehmen konnte. Er hatte eine Tochter, und seine Frau wollte kein zweites Kind.
Philipp Brand griff zum Telefon und rief seine Frau an. Anita wirkte gefasst und beinahe so, als hätte sie schon längst auf eine solche Hiobsbotschaft gewartet.
Davon dass sein Vater nackt war und welche Vermutungen man in Anbetracht dieser Tatsache möglicherweise hegen konnte, sagte er vorläufig nichts.
Dann rief er die Polizei an, ging zurück in die Küche, setzte sich auf einen Stuhl und wartete.
6
SARAH PAULI
A m Nachmittag schlug die Meldung wie eine Bombe in die Redaktion des Wiener Boten ein.
Herbert Kunz, der Chef vom Dienst, David Gruber und Sarah standen gerade im Flur zusammen und besprachen Banalitäten, als eine Volontärin auf sie zukam. Sie blieb stehen, gab Herbert Kunz einen Computerausdruck und meinte lapidar: » Kam gerade über die APA rein. «
Kunz überflog die Nachricht und las dann die Schlagzeile laut vor:
» Oskar Brand ist tot. «
Er machte eine kurze Pause und las weiter: » Der Vorstandsvorsitzende der Brand & Sohn AG wurde heute Morgen in einer Wohnung in der Wiener Innenstadt tot aufgefunden. «
» Wem soll ich das zum Bearbeiten geben? « , fragte die Volontärin dazwischen.
» Ich kümmere mich schon selbst darum. « Mit diesen Worten entließ Kunz die junge Frau, die die Brisanz der Botschaft offensichtlich nicht begriff.
» Wo genau in der Innenstadt? « , fragte David.
» Wie alt war er? « , schob Sarah eine Frage nach, bevor Kunz antworten konnte.
» Anfang sechzig meines Wissens « , antwortete Kunz.
» War er krank? Hatte er Krebs? War’s ein Unfall? « , hakte Sarah nach.
Kunz schüttelte den Kopf. » Nicht dass ich wüsste. Hier steht nicht, woran er starb. «
» Tot aufgefunden « , grübelte Sarah laut. » Warum steht da nicht einfach gestorben? «
» Na, wieder einmal auf der Suche nach einer Verschwörung, Frau Pauli? « , witzelte Kunz.
David nahm Kunz die Meldung aus der Hand.
» Ich wollte eigentlich wissen, wo in der Innenstadt er gefunden wurde! «
Er warf einen Blick auf das Papier.
» Blutgasse? Die ist doch hinterm Stephansdom. Ich dachte, der hat ein Haus am Küniglberg. Was macht der in einer Wohnung in der Innenstadt? « , fragte David
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