Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
niemand Bestimmtes, und als er keine Antwort erhielt, sagte er kurzentschlossen: » Wir machen eine Doppelseite. Oskar Brands Werdegang. Vom Sohn einer Hausfrau und eines Bauarbeiters zum Großunternehmer. Wir brauchen Kommentare von Wegbegleitern, Politikern, Freunden. Und vorweg brauchen wir einen Bericht über seinen Tod. «
» Ich schicke Stepan los und lasse ihn den Artikel für die morgige Ausgabe vorbereiten. « Kunz ließ Sarah und David stehen. Von jetzt an zählte jede Minute. Er musste innerhalb kürzester Zeit eine andere Geschichte rauswerfen und durch den Artikel über Brands Tod ersetzen.
» Blutgasse? Gib her! « Sarah riss David den Ausdruck aus der Hand und las die Meldung über Oskar Brands Tod.
» Kann nicht ich … « Sie sah den Flur entlang. Herbert Kunz war bereits verschwunden. » Ich will in die Blutgasse gehen, David. «
» Lass Stepan das machen. Er arbeitet für die Chronik. Nicht du. «
» Aber David « , protestierte sie. » Das ist doch die Gasse … das ist wahrscheinlich genau das Haus, das diese Zimmermann erwähnt hat. Verstehst du? Die Anruferin, die mir von der schwarzen Frau erzählte … das schräge Telefonat. «
» Ich weiß, wovon du sprichst, Sarah. Ich habe dir am Samstag zugehört. Hast du eine Adresse oder Telefonnummer von der Zimmermann? «
Sarah nickte. » Beides. «
» Dann ruf sie an, oder fahr am besten gleich zu ihr. Vielleicht erfährst du ja, wer die Frau war, die aus dem Haus kam. « Er grinste. » Könnte sich auch um eine heimliche Geliebte handeln. Dann hätten wir noch eine Sensation obendrein. « Er wurde wieder ernst, hob den Zeigefinger und sah sie streng an. » Aber lass Stepan seinen Job in der Blutgasse alleine machen. Er ist schon lange im Geschäft, er weiß, was er zu tun hat. Auch wenn er manchmal ein bisschen träge ist. «
» Hax’n reißt der der Welt keinen mehr aus. «
» Er ist ein alter Hase mit viel Erfahrung. « David sah auf die Uhr. » Wenn wir die erste Besprechung um halb sechs ansetzen, hast du zwei Stunden Zeit. Reicht dir das? «
» Ich glaube schon. «
Als Sarah die Redaktion verließ, begann es zu regnen. Sie schnappte sich den Schirm, den vor ewigen Zeiten jemand im Schirmständer des Foyers vergessen hatte, und ging hinaus auf die Straße. Kalter Wind trieb spürbar den Herbst in die Stadt und fegte feuchtes Laub von den Bäumen. Zum Glück war die U-Bahnstation nicht weit entfernt.
Auf dem Stephansplatz musste sich Sarah durch Menschentrauben drängeln, Japaner, Spanier und Italiener, die alle ihre Schirme schützend über sich aufgespannt hatten. Sie standen vor dem Dom, redeten miteinander in ihren Sprachen und starrten nach oben, soweit der Regen das zuließ. Sarah war überrascht, dass um diese Jahreszeit noch so viele Touristen nach Wien kamen. Aber zugegeben, so oft war sie auch wieder nicht hier im ersten Bezirk um den Stephansdom unterwegs.
Hinter dem Stephansplatz bog sie in die Domgasse ein und ging weiter bis zum Mozarthaus. Vor der schmalen Blutgasse blieb sie stehen. Ein Teil des Kopfsteinpflasters war neu geteert worden. Es sah wie eine Beleidigung aus. Ein Polizeiwagen und ein Bus der Spurensicherung, dessen hintere Tür offen stand, parkten vor einem eingerüsteten Gebäude. Das musste das Haus sein, in dem Brand gefunden wurde.
Sie würde Stepan, wenn er noch da war, bestimmt nicht stören, sondern nur ein bisschen schauen, sich selbst ein Bild machen. David musste ja nichts davon erfahren.
Langsam ging sie über das Kopfsteinpflaster durch die Blutgasse und staunte wie eine Touristin über die Fassaden dieser uralten Häuser rechts und links von ihr. Sie gehörten zu den ältesten Wiens, ihre Fundamente stammten aus dem 12. Jahrhundert. Ihre Fassaden blätterten teilweise ab, doch innen wurden sie im Laufe der Zeit restauriert und saniert. Könnten diese Häuser sprechen – Sarah hätte gerne ihre Geschichten gehört. Insbesondere auch die neueste.
Als sie in die Nähe des Hauses kam, sah sie sich suchend nach Stepan um. Wo waren die Kollegen der anderen Medien? Wo waren die Kamerateams der Fernsehsender? Sie konnte weder Presseleute noch Schaulustige entdecken. Die schmale Gasse war fast menschenleer.
Unter dem Gerüst standen zwei Polizisten in Uniform. Sie sahen sie skeptisch an. Sarah lächelte. Ihr Lächeln wurde jedoch nicht erwidert. Im Vorbeigehen las sie die Hausnummer und sah die Fassade hinauf. Die Fenster im Erdgeschoss waren dunkel, die anderen zu weit oben, um hineinsehen zu
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