Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
können. Ohne stehen zu bleiben ging sie weiter Richtung Singerstraße.
Die Weihburggasse ging von der Kärntnerstraße ab. Hier befand sich Mathilde Zimmermanns Esoterikgeschäft. Schon beim Betreten des Hinterhofes, den Sarah durchqueren musste, um zum Eingang zu gelangen, tauchte sie in eine andere Welt ein. Sie kannte nicht all die Objekte, die im Durchgang hingen und an die Hausmauer geheftet worden waren. Doch es gab die üblichen Windspiele aus Metall- und Holzzylindern, Traumfänger in allen Größen, silberne Anhänger mit besonderen Steinen und vieles mehr. Auf dem Boden standen unzählige Laternen mit brennenden Kerzen darin. Es erinnerte sie an die Märchenfilme, die sie als Kind gesehen hatte. Vor der Eingangstür stand ein Tisch, auf dem ein Buddha aus Stein hockte, um den herum unzählige Teelichte drapiert worden waren, die die Statue sanft beleuchteten. Ein Dachvorsprung schützte das Arrangement vor dem Regen.
Sarah öffnete die Tür. Melodische Klänge und ein ihr unbekannter Duft umfingen sie. Sie sah sich um. Die Einrichtung musste noch aus dem 19. Jahrhundert stammen. Alte Apothekerschränke dominierten die Wände, in der Mitte des Ladens standen meterhohe Regale. Jeder Winkel im Raum schien eine eigene Sphäre zu repräsentieren.
Die Frau hinter dem Verkaufspult sortierte Ölfläschchen in einen Schrank ein. Sie trug weite orientalische Kleidung, hatte kurze blonde Haare und war sehr zierlich. Sarah schätzte sie auf Ende vierzig und war sicher, dass es sich um Mathilde Zimmermann handelte.
Die Frau unterbrach ihre Tätigkeit und sah auf, als Sarah an das Verkaufspult herantrat.
» Kann ich Ihnen helfen? « , fragte sie freundlich.
» Sarah Pauli vom Wiener Boten « , stellte Sarah sich vor.
Die Miene der Frau erhellte sich, sie wirkte jedoch keineswegs überrascht, sondern lächelte und streckte Sarah die Hand entgegen. » Ich habe Recht gehabt, oder? «
Ihr Händedruck war herzlich.
Sie nahm das letzte auf dem Verkaufspult verbliebene Fläschchen, stellte es in den Schrank und verschloss ihn.
» Wollen Sie einen Tee? « Sie zeigte auf Sarahs Finger, die rot waren vor Kälte. » Der wärmt. «
Sie wartete keine Antwort ab, sondern holte eine Thermoskanne und zwei Tassen aus einer Anrichte hervor, schenkte ein und reichte Sarah eine. Sarah umklammerte das heiße Gefäß mit beiden Händen und spürte, wie langsam wieder Leben in ihre klammen Finger kam. Sie schnupperte an dem Tee.
» Nelken-Zimt-Mischung. In der kalten Jahreszeit bestens zu empfehlen, wegen der antiviralen Wirkstoffe. Ich hab’ immer einen frischen hier. Manchmal kommen Kunden einfach zum Tratschen vorbei. Und bei einer Tasse Tee plaudert es sich doch gleich viel angenehmer. Aber setzen wir uns doch. «
Mathilde Zimmermann steuerte auf eine Sitzecke zu, die Sarah vorher noch nicht aufgefallen war. Allmählich beschlich sie das Gefühl, dass Mathilde Zimmermann damit gerechnet hatte, dass sie kommen würde.
Hinter dem Verkaufspult kam ein Collie hervor.
» Das ist Luna « , stellte sie Sarah den Hund vor. Der Collie kam vorsichtig näher, wedelte mit dem Schwanz und ließ sich von Sarah übers Fell streicheln.
» Sie ist schon alt und schläft fast den ganzen Tag in ihrem Korb. An den Wochenenden fahr’ ich aber nach wie vor gerne raus mit ihr, da kann sie ein bisschen laufen. Auf der Donauinsel oder eben auf dem Cobenzl. Manchmal kommt dann der junge Hund wieder durch. «
Der Collie trollte sich wieder hinter das Pult.
» Sie haben mich für verrückt gehalten, oder? « , fragte Mathilde Zimmermann belustigt. » Geben Sie es ruhig zu. Ist ja auch verrückt, bei einer fremden Frau anzurufen und über die Todesbotin zu erzählen. Auch wenn es sich um eine Journalistin handelt, die sich esoterischen Themen widmet. Aber Sie haben mir noch gar nicht erzählt, was passiert ist. «
» Warum glauben Sie, dass etwas passiert ist? «
» Sonst wären Sie wohl kaum hierhergekommen. «
» In der Blutgasse wurde heute Morgen eine Leiche gefunden. « Sarah nannte die Hausnummer. » Bei dem Toten handelt es sich um Oskar Brand. «
Mathilde Zimmermann sah Sarah an, als wartete sie auf eine Fortsetzung.
» Wissen Sie, wer Oskar Brand ist? « , fragte Sarah vorsichtig.
Die andere schüttelte den Kopf. » Nein. Sollte ich ihn kennen? «
» Oskar Brand ist der Vorstandsvorsitzende der Oskar-Brand-&-Sohn- AG , einer der erfolgreichsten österreichischen Automobilzulieferbetriebe. Wahrscheinlich gibt es kaum Autos, in denen
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