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Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom

Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom

Titel: Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maxian
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klar, dass er weder wusste, wo er mit seiner Suche beginnen, noch wo er überhaupt suchen sollte. Im Grunde genommen kannte er seinen Vater nicht.
    Seine Mutter wollte er nicht anrufen und sie um Hilfe bitten. Sie war vor zwei Jahren aus der Villa ausgezogen. Veronika Brand wünschte ihrem Mann seit Langem die Pest an den Hals. Auf ihre Schimpftiraden und auf die Bemerkung, dass er hoffentlich zum Teufel gegangen war, konnte er gut verzichten.
    Auch seine Schwester wäre ihm in dieser Situation keine Hilfe. Sie empfand für ihren Vater ähnlich wie ihre Mutter. Romy fühlte sich missverstanden und ungeliebt, und seit der Vater ihr irgendwann an den Kopf geworfen hatte, dass sie nicht geplant, sondern passiert war, war es noch schlimmer geworden.
    Instinktiv fuhr Philipp Brand von Liesing aus in den ersten Bezirk. Gegen zehn Uhr parkte Philipp Brand seinen schwarzen Audi Q7 in der Wollzeile, stieg aus und holte den Regenschirm aus dem Kofferraum. Auf dem Weg zum Haus seiner Großmutter sah er den Mercedes seines Vaters in der Wollzeile parken. Verwundert schüttelte er den Kopf. Wurde sein alter Herr vergesslich? Statt in der Firma mit Weber ein äußerst wichtiges Gespräch zu führen, fuhr er hierher. Philipp konnte sich vorstellen, was sein Vater gerade tat. Im Haus seiner Großmutter in der Blutgasse standen aufwändige Renovierungen an, und so wie er seinen Vater kannte, kontrollierte der jetzt jeden Handgriff und fotografierte und verglich, um den Handwerkern anschließend Pfuscherei vorwerfen zu können. Niemand konnte dem Alten etwas recht machen. Nicht einmal ihm, seinem Sohn, gelang das.
    » Was glaubt ihr, was passiert, wenn in meinem Unternehmen gepfuscht wird? Dann stürzen die Flugzeuge ab! «
    Oskar Brand hatte damit sogar irgendwie Recht, denn die Brand & Sohn AG belieferte nicht nur die Autoindustrie, sondern inzwischen auch Flugzeughersteller.
    Philipps Großmutter lebte seit einem knappen Jahr in einem Pflegeheim in Döbling. Sie litt an Alzheimer und erkannte inzwischen nicht einmal mehr ihre eigene Familie. Ihr Telefon war abgemeldet, die wenige Post, die sie noch erhielt, kam auf direktem Weg zu seinem Vater und wurde von ihm bearbeitet. Auch sonst entschied Oskar Brand alles im Alleingang, egal ob es sich um Philipps Großmutter, das Pflegeheim oder das Haus in der Blutgasse handelte. Auch dass das Haus nun endlich renoviert und die Wohnungen vermietet werden sollten, hatte er ohne Absprache mit seinem Sohn entschieden. So war es immer. Die Familie wurde nicht gefragt. Niemals.
    Philipp Brand blieb vor dem Haus stehen und betrachtete die Fassade bis hoch zum Dach. Die Dachdecker waren vor einer Woche fertig geworden, sie hatten gute Arbeit geleistet.
    » Das Dach eines Hauses ist wie der Hut eines Menschen. Es muss gut aussehen, seine Funktion erfüllen und perfekt passen « , erinnerte Philipp Brand sich an die Worte seiner Großmutter. Damals, als er ein kleiner Bub war und sie ihn noch erkannte, verbrachte sie viel Zeit damit, den passenden Hut zum Mantel auszuwählen, während er ungeduldig darauf wartete, dass sie ihn endlich zum Basilisken führte. Auf dem Weg über die Wollzeile und durch die Essiggasse erzählte sie ihm jedes Mal die Sage von dem drachenähnlichen Monster, das in einem Brunnen in der Schönlaterngasse hauste. Er konnte die Geschichte nicht oft genug hören: vom Bäckergesellen Hans, der die schöne Tochter des Bäckers zur Frau bekam, weil er den Basilisken tötete. » Aber die Zeit, in der Männer Drachen für ihre Angebetete getötet haben, ist längst vorbei « , hatte seine Großmutter jedes Mal die Geschichte beendet. Was sie damit ausdrücken wollte, hatte er erst als Erwachsener begriffen.
    An anderen Tagen besuchten sie den Stephansdom, und seine Großmutter erzählte ihm vom heiligen Georg, der mit seinem Schwert einen Drachen tötete, zeigte ihm den Zahnwehherrgott und erzählte die Geschichte der Dienstbotenmadonna – nicht ohne anschließend eindringlich zu erwähnen, wie wichtig es sei, gerecht zu seinen Mitmenschen zu sein. Seine Großmutter erschien ihm eine gerechte Frau zu sein. Diese Spaziergänge mit ihr gehörten zu seinen schönsten Kindheitserinnerungen.
    Seufzend öffnete er das Haustor und blieb im Durchgang stehen. Maler standen auf einem Gerüst und strichen das Treppenhaus frisch an. Das Tor zum Innenhof stand offen. Der Platz, den sonst riesige Oleander und Trompetenblumen in florentinischen Terrakottatöpfen zierten, war jetzt komplett

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