Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
Lass mich mal machen, Sarah. Lass mich einfach mal machen. « Vor der Tür drehte sie sich noch einmal um. » Übrigens habe ich heute ein überaus interessantes Telefonat geführt. « Sie machte eine dramaturgische Pause, wie immer, bevor sie ein wie sie meinte brisantes Gerücht streute. » Du weißt doch, dass ich die Szene in Wien kenne. «
» Weiß ich, ja. « Sarah ahnte, was kommen würde.
» Und diese Szene ist klein. So zurückgezogen kannst du gar nicht leben. Es gibt immer jemanden, der eine interessante Geschichte über dich zu erzählen weiß. «
» Worauf willst du hinaus, Conny? «
» Der gute Brand soll dem Kokain gegenüber nicht abgeneigt gewesen sein. « Mit wichtigtuerischer Miene sah sie Sarah an. » Aber das steht natürlich nicht in den offiziellen Meldungen. So viel zu der weißen Weste. «
11
PHILIPP BRAND
U lrike Kastler stand in einem dunkelgrauen Kostüm hinter ihrem Schreibtisch. Sie winkte mit dem Telefonhörer in der Hand. Von ihren Lippen konnte Philipp Brand deutlich das Wort Presse ablesen. Er hob abwehrend die Hand und deutete dann mit dem Zeigefinger ein paar Mal den Gang hinunter, was seiner Mitarbeiterin verriet, dass er auf dem Weg ins Konferenzzimmer war und nicht telefonieren wollte. Sie begriff, nickte und widmete sich wieder ihrem Gesprächspartner in der Leitung.
Philipp Brand eilte weiter den Gang hinunter. Er wollte keine Telefonate annehmen, und er konnte das permanente Läuten in den Büros nicht mehr hören.
Seit die offizielle Polizeimeldung vom Tod seines Vaters an die Medien rausgegangen war, standen die Geräte nicht mehr still, was ihm allmählich den letzten Nerv raubte. So wie auch die Reaktionen der meisten Angestellten. Kaum tauchte er irgendwo auf, verwandelten sie sich augenblicklich in weinende Wracks. Melanie Fuchs war die Schlimmste. Die Personalchefin arbeitete seit fast dreißig Jahren im Unternehmen, und alle wussten, dass sie eine Schwäche für seinen Vater gehabt hatte.
Philipp Brand bezweifelte allerdings, dass sie genauso hemmungslos heulten, wenn er nicht in ihrer Nähe war.
Seine Sekretärin war ihm jedenfalls keine große Hilfe gewesen, als er die außerordentliche Vorstandssitzung einberief, da sie zu sehr damit beschäftigt war, Doris Heinlein zu trösten. Die Sekretärin seines Vaters fürchtete neben aller Trauer auch um ihren Job. Erst als Philipp Brand ihr versicherte, dass ihr keine Kündigung drohe und er für sie eine andere Aufgabe finden werde, beruhigte sie sich, und Katrin Niedler konnte sich der Vorbereitung der Sitzung widmen. Doris Heinlein betraute er mit dem Versenden der Todesanzeigen. Sie waren schnell entworfen worden. Die Version an die Geschäftspartner enthielt außerdem den Hinweis, im Sinne Oskar Brands von Blumenspenden abzusehen und das Geld an eines der sozialen Projekte, die das Unternehmen unterstützte, zu überweisen. So etwas kam immer gut an, und sie würden nicht in einer Flut von Kränzen ersticken, die ohnehin kurz nach der Beisetzung auf dem Müll landen würden.
Philipp Brand seufzte leise. Er wusste sehr wohl, dass seine Bestellung als neuer Vorstandsvorsitzender noch vom Aufsichtsrat abgesegnet werden musste. Aber er wusste auch, dass es sich hier nur um eine reine Formalität handelte. Er war seit längerer Zeit im Vorstand des Unternehmens, und es war klar, dass er einmal die Position seines Vaters einnehmen würde. Auch wenn einige die Meinung vertraten, dass er zu jung für diese Aufgabe war, würden sie sich nicht gegen ihn entscheiden. Heute jedoch mussten sie lediglich darüber beraten, wie sie vorgehen sollten und wann der richtige Zeitpunkt wäre, um den Medien Rede und Antwort zu stehen. Eine offizielle Meldung seitens des Konzerns hatte er am Morgen seine Sekretärin an alle Vorstände schicken lassen. Die würden die Meldung jetzt absegnen, und seine Sekretärin konnte sie noch heute verschicken. Dann hatten diese unseligen Anrufe der Presse hoffentlich ein Ende. Er gestand sich ein, dass er mit einem solchen Medieninteresse am Tod seines Vaters nicht gerechnet hatte.
Demonstrativ riss er die Tür zum Besprechungszimmer auf.
Die vier Vorstandsmitglieder des Unternehmens saßen um den Tisch herum und unterhielten sich leise miteinander. Seine Sekretärin hatte wie immer Kaffee, Wasser und Fruchtsäfte auf den Tisch gestellt. Ein Bild, das Normalität vorgaukelte. Die aktuellen Tageszeitungen mit den ersten Meldungen über Brands Tod lagen auf dem Tisch. Bisher gab sich noch kein
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